Wie ein Blütenblatt im Sturm
außerdem hat er mehr Geld, als er haben sollte.«
»Interessant.« Rafe versuchte, seine aufkommende Erregung zu unterdrücken. »Haben Sie mit Castlereagh über Ihren Verdachtsmoment gesprochen?«
Northwood blickte sich um, als wollte er sicherstellen, daß niemand in Hörweite war. »Ich habe mit Castlereagh gesprochen, ja. Und deswegen bin ich hier - der Außenminister hat mich gebeten, ‘n Auge auf ihn zu haben. Natürlich inoffiziell.« Auf Rafes fragenden Blick fügte er hinzu:
»Um zu sehen, ob er mit verdächtigen Gestalten spricht.
Ich sollte Ihnen das gar nicht erzählen, aber ich weiß, daß Sie vertrauenswürdig sind. Passen Sie auf sich auf. Sie kennen ja die Lage in Paris. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
Northwood sah aus, als ob er noch überlegte, fortzufahren, tat es dann aber mit fast unhörbarer Stimme: »Ver-trauliche Informationen sind aus der britischen Delegation gelangt. Will ja keinen einfach so beschuldigen -
aber wir beobachten Anderson genau.«
Rafe hatte Northwood noch nie so ernst erlebt, und er fragte sich, ob er seinen alten Schulkameraden vielleicht falsch beurteilt hatte. Vielleicht war sein Gehabe bloß eine Verkleidung. Er musterte den anderen Mann in dem Versuch, objektiv zu sein.
Rafe konnte zwar Northwoods vulgäres Benehmen nicht ausstehen, aber er hatte keinen Grund, ihm zu miß-
trauen. Hatte die Eifersucht sein Urteil gefärbt? Zweifellos war es so.
Die gleiche Eifersucht machte es ihm aber nur allzu leicht, an Andersons Verrat zu glauben. Rafe rief sich in Erinnerung, daß er in Paris war, um seinem Land zu dienen, nicht um persönliche Fehden auszutragen. Wenn der Blonde aber ein Verräter war, dann würde es ihm ein reines Vergnügen sein, Anderson ertappt und bestraft zu sehen.
»Ich halte meine Augen offen«, sagte Rafe nun, »und vielleicht fällt mir bald ein, wieso mir Anderson so bekannt vorkommt. Es könnte wichtig sein.«
Nach einem komplizenhaften Nicken entfernte er sich von Northwood und setzte sich an den Rouge-et-Noir-Tisch. Bei diesem Spiel brauchte man mehr Glück als Geschick, so daß Rafe dabei noch mitbekam, was um ihn herum geschah. Er bemerkte, daß General Roussaye sich einen Stuhl neben Anderson am Faro-Tisch nahm und registrierte, wie die beiden Männer sich in einem Wortwech-sel ergingen, der vielleicht - vielleicht aber auch nicht -
mit Faro zu tun hatte.
Er registrierte es und runzelte die Stirn.
Kapitel 11
M NÄCHSTEN TAG waren sowohl Maggie als auch A Rafe in Gedanken versunken, als sie sich zur britischen Botschaft begaben, um den Castlereaghs einen Besuch abzustatten. Sie zog kurz in Erwägung, ihm von ihrem Verdacht, was Northwood betraf, zu erzählen, besann sich dann aber. Er war heute ganz der kühle, abgeklärte und unnahbare Aristokrat.
Sie aßen im privaten Speiseraum, und das exzellente Mittagessen wurde sogar auf Pauline Bonapartes Geschirr serviert, das Wellington letztes Jahr mit dem Haus zusammen gekauft hatte. Maggie, die ganz wie die Geliebte eines Dukes aussah, trug ein himmelblaues Kleid mit passenden Straußenfedern im Haar. Lord Castlereagh war entspannt und geistreich, und das Essen war alles in allem eine angenehme Angelegenheit.
Die Unterhaltung wurde erst ernsthaft, als eine silberne Kaffeekanne auf den Tisch gestellt wurde und Lady Castlereagh den Dienern signalisierte, sich zurückzuzie-hen. Der Außenminister begann das Gespräch mit den Worten: »Haben Sie schon das Neueste aus den Tuilerien gehört?«
Beide Gäste schüttelten den Kopf. Der Hof des französischen Königs war ein Hexenkessel aus Gerüchten und Klatsch, Bedenkliches war aber seit langem nicht mehr von dort gekommen.
Castlereagh erklärte sofort: »Fouché ist aus der Regierung gedrängt worden, und auch Talleyrand wird in ein paar Tagen fort sein.« Ein vergnügtes Funkeln zeigte sich in seinen Augen. »Wann immer Fürst Talleyrand unter heftigem Beschuß steht, bietet er freimütig seinen Rücktritt an. Und zu seiner großen Überraschung hat der Kö-
nig diesmal angenommen.«
Maggie biß sich auf die Lippe und dachte über die Folgen nach. Dann warf sie Rafe einen Blick zu. Seine Augen waren ernst. Obwohl Talleyrand schwierig und unberechenbar war, mußte man auch seine Brillanz und seine Vermittlertätigkeiten anerkennen. Sein Rücktritt könnte die Gefahr für andere Gemäßigte erhöhen. »Ist schon ein neuer Premierminister gewählt worden?« fragte sie.
»Der Zar hat einen der französischen Royalisten
Weitere Kostenlose Bücher