Wie ein boser Traum
dich noch an etwas anderes? Irgendwelche anderen Gegenstände vor oder im Zimmer, die dort nicht hätten sein sollen?«
Sie überlegte angestrengt, dachte lange über die schmerzlichen Erinnerungen nach. Ihr Magen rumorte; dann schüttelte sie den Kopf. »Nichts. Ich war zu sehr damit beschäftigt, Mr. Call zu entwischen und anschließend Heather zu retten … besser gesagt, von ihr wegzukommen.«
Clints schmerzliche Miene verriet, dass auch er sich an diesen Teil erinnerte. »Mir wurde gesagt«, begann er und überging diese Einzelheiten, »dass nur ein einziges Beweismittel aus dem Zimmer geborgen wurde: das Messer.«
Sie nickte. Das stimmte. Sie hatte dasselbe im Gerichtssaal gehört. Ein typisches Küchenmesser. Keine Fingerabdrücke, nichts außer Heathers Blut. Die Tatsache, dass Clint Handschuhe getragen hatte, war gegen ihn verwendet worden. Vor dem Hintergrund seines Alibis hatten die Handschuhe durchaus Sinn gemacht. Er war dabei gewesen, für einen Kredithai ein Auto zu stehlen, das als Pfand dienen sollte. Natürlich hatte Clint Handschuhe getragen.
»Na ja«, fuhr Clint grimmig fort, »die haben uns angelogen.«
»Wie bitte?« Emily hatte Chief Ledbetter gekannt. Er gehörte derselben Kirchengemeinde an wie sie und ihre Eltern. »Chief Ledbetter hat gelogen? Vielleicht war da nichts anderes, Clint.« Aber dann hätte er dies nicht gesagt. Ihr war kalt, und sie bekam Angst vor dem, was er ihr gleich sagen würde.
»Lies mal.« Er reichte ihr den Beweismittelbericht, den er aus der Sandwichtüte gezogen hatte.
Sie faltete ihn auseinander und las jede Zeile ganz genau.
»Gegenstand: ein goldenes Halsband mit goldenen Cheerleader-Anhängern. Gefunden: in der Hand des Opfers. Zustand: zerbrochene Halskette, mit Blut bedeckt. Verbleib:« Aber dort war, über anderer Schrift, »VERLOREN« aufgestempelt. Die großen roten Lettern zogen Emilys Blick wie magisch an, vorbei an den anderen Informationen.
»Die haben Beweismittel verloren?« Das war unglaublich!
»Lies mal, was handschriftlich unter dem Stempel eingetragen ist.«
Eine Männerhandschrift; Emily hätte die kleine Schrift vermutlich nur als nachlässig bezeichnet, hätte der Autor mit seinem Kugelschreiber nicht ganz besonders fest aufgedrückt. Sie hielt das Blatt schräg und versuchte zwischen den roten Buchstaben die Worte zu lesen, auf die sie zuvor kurz aufmerksam geworden war. »Ins Labor gebracht … zur Analyse … durch Deputy … R … A … Y...«
Ray Hale .
Ihr blieb fast die Luft weg.
»Das glaube ich nicht.« Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, ein ausgesprochener Gedanke.
»Die Kette war zerbrochen, als wäre sie jemandem vom Hals gerissen worden.«
Emily überlegte, was das bedeuten konnte. Noch während sie dies tat, ergriff ein inneres Taubheitsgefühl von ihr Besitz, als wappnete sie sich gegen etwas, was sie nicht sehen, zumindest nicht fühlen wollte. Sie hatte in Heathers Hand nichts gesehen, aber sie war ja vom Blut und den Wunden abgelenkt gewesen.
»Sagt dir das Halsband irgendetwas?«
Sie nickte. »Alle Senior-Cheerleader des kommenden Schuljahrs bekommen am Ende des Junior-Jahres so eine Halskette geschenkt. Das ist Tradition.«
»Glaubst du, dass die Halskette, die man in deinem Zimmer gefunden hat, Heather gehört hat?«
Emily schüttelte den Kopf. »Das ist der Teil, der mich verblüfft hat. Es war nicht Heathers«, hörte sie sich sagen, so, als wäre sie weit, weit weg, an einem fernen Ort, an dem der Schmerz sie nicht berühren konnte. Aber er berührte sie. »Ich habe Troy am Tag der Beerdigung gebeten, ihre aus ihrem Zimmer zu holen, für mich, damit sie mit der Halskette beerdigt werden konnte.«
»Heather ist in einem geschlossenen Sarg beerdigt worden«, gab Clint leise zurück.
Emily zuckte zusammen. »Ja, aber ich stand neben Troy, als er die Kette dem Beerdigungsunternehmer ausgehändigt hat. Heathers Halskette war also vorhanden.« Emily holte tief, befreit Luft. »Und sie war nicht zerbrochen.«
»Und deine Kette?«
Er sah sie forschend an, aber sie wusste, dass er sie nicht beschuldigen wollte. »Ein paar Wochen nach Heathers Tod hat meine Mutter meine weggepackt, zusammen mit vielen anderen Dingen aus jenem Teil meines Lebens.«
»Wenn die Halskette also nicht Heather gehört hat und auch nicht dir, warum befand sie sich dann in deinem Zimmer und wurde als Beweisstück eingetragen?«
»Du weißt, was das bedeutet.« Die Kette war blutverschmiert. Und zerbrochen. Heather
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