Wie ein boser Traum
Gefühle für ihn hatte, brachte sie völlig aus der Fassung. Troy hasste sie, weil sie Clints Unschuld auch nur in Erwägung zog, was sie in Wahrheit gar nicht getan hatte. Marv glaubte wahrscheinlich, dass sie nicht alle Tassen im Schrank hatte. Ihre Eltern hatten sie angelogen. Ihre Freundinnen hatten ihre wahren Gefühle vor ihr verborgen.
Wie sollte es jetzt weitergehen? Sie konnte nicht vor und nicht zurück. Sie war gefangen.
18
Samstag, 20. Juli, 1.03 Uhr
Ein Geräusch weckte sie.
Emily blinzelte, rieb sich die Augen und schaute noch einmal hin. Die Digitaluhr an ihrem Armaturenbrett zeigte immer noch dieselbe Zeit an: 1.03 Uhr.
Sie hatte doch nicht einschlafen wollen! Und ganz sicherlich nicht, während sie vor Austins Haus parkte, aber sie hatte nicht gewusst, wohin sie gehen sollte. Zu Hause war sie zur Zeit vermutlich nicht willkommen. Und ihn im Auge zu behalten war das Einzige, wozu sie sich noch verpflichtet fühlte.
Sie wollte den Motor starten, zögerte dann aber aus einem unerfindlichen Grund. Da war ein sehr unbestimmtes Geräusch … ein Knacken oder Zersplittern, so leise und undeutlich, dass sie sich nicht sicher war, ob sie tatsächlich etwas gehört hatte.
Was war das für ein Geruch? Sie atmete tief ein und versuchte dahinterzukommen. Rauch … vielleicht.
Wie in Zeitlupe nahm sie die Hand vom Zündschloss und drehte den Kopf in Richtung Austins Haus. Kurz durchfuhr sie der Gedanke, dass sie vielleicht träumte. Deshalb dauerte es etwas länger, bis sie auf das reagierte, was sie wahrgenommen hatte. Aber dann loderten die Flammen wieder auf, züngelten hinter dem Vorderfenster.
Feuer.
Im Haus.
War er dort drinnen?
Sie sah sich um und erwartete, die Feuerwehr oder die Polizei oder beides hier zu sehen, aber die Straße war dunkel, und außer ihr war sie menschenleer. Die Tür ihres Autos stand offen, eine Sekunde später stand sie mitten auf der Straße. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie ausgestiegen war. Austins Wagen stand auf dem Platz in der Zufahrt, wo er immer parkte, wenn er nach Hause kam.
»Mein Gott.«
Adrenalin rauschte durch ihre Adern.
Clint Austin war in dem Haus.
Emily rannte zurück zum Wagen. Suchte ihr Handy. Wo um alles in der Welt war es? Da. Erleichtert zog sie es aus der Spalte zwischen Mittelkonsole und Sitz.
Sie rannte durch den Vorgarten in Richtung Veranda. Es war unmöglich, durch den Vordereingang ins Haus zu gelangen.
Die Flammen verschlangen das Wohnzimmer wie ein hungriges Tier, das seit langem nichts zu fressen bekommen hatte. Das Vorderfenster war durch die Hitze bereits zerborsten. Das hätte sie doch eigentlich gehört haben müssen; vielleicht hatte das sie ja geweckt.
Das Knistern des Flammen erzeugte bei ihr eine Gänsehaut am ganzen Leib. Der Funkenflug wurde von einem starken Luftstrom begleitet.
Sie wählte die Notrufnummer und konnte sich nicht daran erinnern, das Handy danach zugeklappt und in ihre Tasche gesteckt zu haben, aber plötzlich befand es sich nicht mehr in ihrer Hand.
Sie rannte ums Haus herum zur Hintertür.
Verschlossen. Sie drehte den Türknopf und wandte dabei all ihre Kraft auf. Es hatte keinen Sinn. Sie spähte durch das Fenster neben der Tür. Die Flammen blockierten
den Flur, der von der Küche in das Wohnzimmer führte. Auf diesem Wege ging es also nicht.
Sie lief zum nächsten Fenster an der Hinterseite. Geschlossen. Versperrt. Der Raum dahinter war dunkel. Sie konnte nichts sehen, außer … vielleicht war das ein Bett. Ihr Herz begann wie verrückt zu rasen, ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Das nächste Fenster. Kein Fliegengitter davor. Gott sei Dank.
Es war dunkel. Sie steckte den Kopf hinein. Auf den weißen Bettlaken konnte sie in der Mitte eine Gestalt erkennen.
»Austin!«
Sie hielt sich am Fenstersims fest und zog sich höher, schwang ein Bein über die Fensterbank. Ihre Bluse blieb an etwas Spitzem hängen. Sie riss sie los und fiel ins Zimmer.
»Austin!« Sie rappelte sich auf und rannte zum Bett. »Wach auf!«
Sie hielt den Atem an. Auf irgendeiner Stufe ihres Bewusstseins hatte sie bemerkt, dass Rauch in ihre Lunge gedrungen war. Das wäre noch wesentlich schlimmer gewesen, wäre die Schlafzimmertür nicht geschlossen gewesen.
Sie schüttelte ihn. Er gab keinen Mucks von sich, reagierte nicht.
Sie schüttelte ihn fester. »Austin! Wach auf, verdammt noch mal!«
Wo blieben die Sirenen? Hätte die Feuerwehr nicht längst hier sein müssen?
»Austin!«
Er stöhnte,
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