Wie ein Flügelschlag
allein war. Beobachter konnte ich
jetzt nicht gebrauchen.
Construnit.
Ich drückte auf Enter. 27 000 Treffer in deutscher Sprache.
Ich klickte einfach auf den ersten Eintrag. Zunächst überflog ich
den Text nur. Zu viele lateinische Namen, zu viele medizinische
Fachbegriffe. Bis mein Blick an einem Absatz hängen blieb:
Construnit wurde bereits in den 80er-Jahren von Sportlern als
Dopingmittel eingesetzt. Seine beruhigende Wirkung sorgt für den
notwendigen erholsamen Schlaf, während es gleichzeitig dafür zuständig
ist, dass vermehrt Wachstumshormone freigesetzt werden.
Meine Finger zitterten, als ich im Text wieder ganz nach oben
scrollte. Vielleicht hatte ich etwas übersehen. Oder falsch verstanden.
Ich las den Text noch einmal, diesmal langsamer. Aber
das Ergebnis blieb das gleiche. Es war dieser eine Satz, an dem
ich hängen blieb. Construnit wurde als Dopingmittel benutzt …
Doping, Doping, Doping. Das Wort hämmerte in meinem
Kopf. Ich holte ein Blatt Papier aus meinem Rucksack, um mir
die wichtigsten Informationen abzuschreiben.
Construnit ist eine Hydroxy-Carbonsäure, abgekürzt GHB
für Gamma-Hydroxy-Buttersäure. Ich notierte mir, dass die
Substanz auch unter dem Begriff Liquid Ecstasy bekannt wurde
und in Deutschland als Betäubungsmittel klassifiziert worden
war.
Offensichtlich war Construnit meistens in Form von kleinen
Ampullen oder Fläschchen im Handel, seltener in Form von
Tabletten oder Kapseln. Ob in Melanies Tasche Ampullen oder
Tabletten gewesen waren, wusste ich nicht. Aber es spielte letztendlich
auch gar keine Rolle.
Eine Weile las ich mich noch kreuz und quer durch andere
Seiten und machte mir Notizen. Ein Warnhinweis besagte, dass
es bei der Benutzung dieses Mittels bereits Todesfälle gegeben
hatte.
Als ich mit meiner Recherche fertig war, drehte sich alles in
meinem Kopf. Auch wenn ich von dem, was ich gelesen hatte,
überhaupt nur einen Bruchteil verstand, eins wusste ich bestimmt:
Die beiden Schachteln, die Melanie in ihrer Sport tasche
mit sich herumtrug, enthielten keine harmlosen Vitaminpillen
oder Kopfschmerztabletten. Das Zeug unterlag dem Betäubungsmittelgesetz,
war in Kriminalkreisen als K.-o.-Tropfen bekannt
und konnte in geringer Dosierung als Dopingmittel eingesetzt
werden.
Mein Herz schlug so laut, dass es sogar das Summen der Festplatte
übertönte. Ich schloss die Seiten, löschte den Internetverlauf
und schaltete den Rechner aus.
Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte.
Ich war müde, todmüde und gleichzeitig so aufgewühlt wie nach
einem 200-Meter-Sprint im Wasser. Ich spürte jeden einzelnen
Muskel in meinem Körper, das letzte Training steckte mir noch
in den Knochen. Und obwohl ich jede unnötige Bewegung vermied,
schlug mein Herz bis zum Hals, und ich schaffte es nicht,
meine Gedanken zu sortieren.
Melanie dopte. Es gab keinen anderen vernünftigen Grund,
warum sie dieses Zeug sonst mit sich herumschleppen sollte.
Oder doch? Ich musste an den Streit mit Jonas denken. An die
Anhänglichkeit von Nora und Bea. Konnte es sein, dass Mel
andere in der Schule mit dem Zeug versorgte? Handelte Mel
mit den Medikamenten? Aber woher hatte sie die? Im Internet
stand, dass sämtliche GHB-Produkte unter das Betäubungsmittelgesetz
fielen. Frei käuflich waren sie also auf gar keinen Fall.
Mein Vater ist Arzt. Schon vergessen?
Die Erinnerung traf mich wie ein Faustschlag. Wieland.
Konnte das tatsächlich sein? Wäre er dazu fähig? Er arbeitete in
den städtischen Kliniken. Er konnte das Mittel vermutlich problemlos
besorgen. Ich dachte daran, wie viel Druck er in der letzten
Zeit auf Melanie ausgeübt hatte. Sah seinen Blick vor mir,
den er mir gestern im Becken zugeworfen hatte. Und ich hörte
Mikas Stimme wieder. Ein Kampf, den du nur verlieren kannst .
Dopte Wieland seine eigene Tochter? Verdammt, verdammt,
verdammt. Es war auch ohne das alles schon kompliziert genug.
Und jetzt? Melanie spielte mit ihrem Leben, wenn sie tatsächlich
auf dieses Zeug setzte. Im Internet stand, dass es schon Todesfälle
gegeben hatte. Ich kriegte das einfach nicht auf die Reihe.
Hatte Melanie sich nicht erst kürzlich über den Leistungsdruck
an unserer Schule aufgeregt? Und trotzdem war ihr ein Sieg so
wichtig, dass sie bereit war, dafür ein großes gesundheitliches
Risiko einzugehen?
Ich starrte an meine Zimmerdecke und suchte verzweifelt die
Logik hinter dem Ganzen. Ob Mika wusste, was seine Schwester
da tat? Ob er sie in ihrem Ehrgeiz gar unterstützte? Hatte
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