Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
hätte, wäre es ihr unpassend vorgekommen, ihn anzuziehen. Für junge Mädchen war es vielleicht ganz normal, im Bikini, also letztlich in Slip und BH , vor fremden Leuten am Strand herumzuspazieren. Sie selbst fand die Vorstellung, sich Alex und den Kindern so zu zeigen, ziemlich peinlich.
Trotzdem erschien ihr der Gedanke, mit ihm allein zu sein, irgendwie verlockend. Aber nicht, weil Alex schon so viel für sie getan hatte, obwohl das wirklich sehr nett von ihm war, sondern eher deswegen, weil er manchmal so traurig lächelte. Und weil er ihr mit solch einer melancholischen Miene von seiner Frau erzählt hatte. Und natürlich weil er so lieb zu seinen Kindern war. Ihn umgab eine tiefe Einsamkeit, die er nicht überspielen konnte, und Katie wusste, dass es bei ihr selbst ganz ähnlich war.
Sie spürte intuitiv, dass er Interesse an ihr hatte. Schließlich war sie erfahren genug, um zu merken, wenn Männer sie anziehend fanden, gleichgültig, ob es der Verkäufer im Gemüseladen war, der immer zu viel redete, oder irgendein Fremder, der sie intensiv musterte. Oder der Kellner in einem Restaurant, der ein bisschen zu häufig an ihren Tisch kam. Im Laufe der Zeit hatte sie gelernt, die Aufmerksamkeit dieser Männer einfach zu ignorieren. Manchmal hatte sie allerdings auch mit kühler Ablehnung reagiert, weil sie aus Erfahrung wusste, was ihr passierte, falls sie keine klaren Grenzen zog. Später. Wenn sie nach Hause kamen. Sobald sie allein waren.
Aber das galt nicht mehr. Dieses Leben war vorbei. Katie holte sich Shorts aus der Schublade und schlüpfte in die Sandalen, die sie bei Anna’s Jeans gekauft hatte. Gestern hatte sie am Abend mit einer Freundin Wein getrunken, heute fuhr sie mit Alex und seiner Familie an den Strand. Das waren normale Unternehmungen in einem normalen Leben. Aber für sie fühlte sich alles so fremd an, als müsste sie die Sitten und Gebräuche eines Landes lernen, das sie nicht kannte, und sie war einerseits beschwingt, andererseits aber auch sehr unsicher.
Kaum hatte sie sich umgezogen, da sah sie auch schon Alex’ Jeep die Schotterstraße herauffahren. Sie atmete tief durch, als er vor ihrem Häuschen hielt. Jetzt oder nie, dachte sie und trat hinaus auf die Veranda.
»Du musst dich anschnallen, Miss Katie!«, rief Kristen von hinten, nachdem sie eingestiegen war. »Mein Dad fährt nämlich erst los, wenn alle angeschnallt sind.«
Alex schaute Katie an, als wollte er sie fragen: Na, bist du bereit? Sie lächelte tapfer.
»Okay«, sagte er. »Fahren wir.«
Sie brauchten keine Stunde, um nach Long Beach zu kommen, ein hübsches Städtchen mit alten Kolonialhäusern und einem fantastischen Strand. Alex fuhr auf einen kleinen Parkplatz bei den Dünen. Das Riedgras bog sich in der frischen Brise. Katie stieg aus, blickte aufs Meer und atmete die würzige Luft ein.
Die Kinder rannten sofort zu dem schmalen Pfad, der zwischen den Dünen hindurchführte.
»Ich schaue mal, wie warm das Wasser ist, Dad!«, rief Josh und hielt Schnorchel und Taucherbrille hoch.
»Ich auch!« Kristen sauste hinter ihm her.
Alex fing schon an, den Jeep auszuladen. »Halt, nicht so schnell!«, rief er. »Wartet bitte einen Moment, okay?«
Seufzend blieb Josh stehen und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, während Alex eine riesige Kühltasche aus dem Wagen hievte.
»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Katie.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich schaff das schon. Aber können Sie vielleicht die Kinder mit Sonnenschutzmittel einreiben und sie ein paar Minuten ablenken? Sie sind immer kaum zu bändigen, wenn wir hierherfahren.«
»Ja, gern«, antwortete Katie und wandte sich den Kindern zu. »Kann’s losgehen, ihr zwei?«
Alex schleppte die Sachen zu einem Picknicktisch, den die Flut nicht erreichen konnte. Es waren noch andere Familien da, aber sie kampierten ein ganzes Stück entfernt. Diesen Teil des Strandes hatten sie fast für sich. Katie zog ihre Sandalen aus und schaute zu, wie Josh und Kristen jetzt im flachen Wasser herumplanschten. Zwar hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt, aber Alex fand trotzdem, dass sie ungewohnt zufrieden wirkte.
Er nahm zwei Handtücher und ging zu den dreien. »Man kann es schon nicht mehr glauben, dass gestern solch ein schweres Unwetter war, oder?«
Beim Klang seiner Stimme drehte sich Katie um. »Mir war gar nicht bewusst, wie sehr ich das Meer vermisse.«
»Ist es schon länger her, dass Sie das letzte Mal am Wasser waren?«
»Viel zu lange.«
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