Wie ein Prinz aus dem Maerchen
Auch mit den Festnetztelefonen im Gebäude hatte sie keine Verbindung nach außen bekommen. Wenn nur Nikolas hier wäre …
Gleich darauf schalt sie sich für diesen Gedanken. Es wäre doch gelacht, wenn sie nicht ohne seine Hilfe zurechtkäme!
Sie durchquerte den an das Schloss angrenzenden Barockgarten mit den liebevoll angelegten Blumenrabatten und Beeten und lief über einen ordentlich geharkten Kiesweg in den angrenzenden Park. In der Nacht hatte sie kaum Schlaf gefunden, jetzt brannten ihr die Augen vor Müdigkeit, und die Steine auf dem Weg taten ihr an den Füßen weh, da sie vor wenigen Minuten die unbequemen Stöckelschuhe abgestreift hatte. Ans Aufgeben dachte sie jedoch nicht.
Die Zeit drängte. Sie musste Boyd so schnell wie möglich erreichen! Wieder prüfte sie das Display – nichts.
„Brauchst du Hilfe?“, fragte Nikolas hinter ihr.
Überrascht wandte sie sich zu ihm um. „Was machst du hier? Musst du nicht arbeiten?“
„Schon, aber erst wollte ich hören, was Boyd zu deinem Vorschlag sagt.“
Sie hielt ihr Handy hoch. „Ich bekomme keine Verbindung.“
„Deshalb hast du also gedroht, das Handy in den Fischteich zu werfen!“
„Ich … Woher weißt du das?“
„Einer der Gärtner hat seine Kollegen vor einer barfüßigen Amerikanerin gewarnt, die ihr Handy beschimpft.“ Nur mit Mühe gelang es ihm, ernst zu bleiben, und sie errötete.
„Juliana hat mich schon gewarnt, dass man hier ständig unter Beobachtung steht, selbst wenn man keinen Menschen sieht!“
„Richtig.“ Er zog aus der Hosentasche sein eigenes Handy hervor, tippte einige Zahlen ein und überreichte es ihr. „Das ist ein Satellitentelefon. Die Vorwahl für die USA ist bereits eingegeben.“
„Danke.“ Vor Aufregung waren ihre Hände ganz feucht, und ihr Mund fühlte sich an wie ausgetrocknet. Einen Moment lang hielt sie den Apparat in ihrer Hand, ohne zu wählen. Vom Ergebnis dieses Gesprächs hing ihre Zukunft ab.
„Soll ich dich allein lassen?“, fragte Nikolas.
„Wie du willst.“
„Dann bleibe ich.“
Etwas anderes hatte sie nicht erwartet, er nahm seine Pflichten ernst – und dazu gehörte derzeit auch sie.
Sie holte tief Atem, dann wählte sie Boyds Nummer und hob das Telefon ans Ohr. Es klingelte ein, zwei, drei Mal …
„Hallo.“ Seine Stimme klang verschlafen, als hätte sie ihn gerade aufgeweckt.
„Ich bin’s, Izzy.“
„Wie geht es dir? Ist der Prinz auch nett zu dir?“
„Ich rufe von seinem Apparat aus an.“
„Mir hat gar nicht gefallen, wie er dich ansieht.“
„Mach dir deshalb keine Gedanken. Es …“
„Was ist los?“, hakte Boyd besorgt nach, als sie verstummte.
„Ich sitze in der Klemme und brauche deine Hilfe.“
„Meine Antwort lautet Ja, egal was du willst.“
„Warte besser ab, was ich von dir erbitte. Vielleicht änderst du dann deine Meinung.“ Sie lächelte Nikolas zu, und er blinzelte verschwörerisch zurück. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.
Konzentrier dich! ermahnte sie sich selbst. Doch das fiel ihr in seiner Anwesenheit schwer. Also blickte sie zu Boden, während sie Boyd einen kurzen Abriss der veronianischen Geschichte gab und erklärte, welche Rolle sie selbst darin spielte.
„Was kann ich für dich tun?“, fragte Boyd, als sie ans Ende ihrer Ausführungen gekommen war.
„Ich muss dringend einen Ehemann finden. Nicht für ein ganzes Leben, aber für einige Jahre.“ Sie atmete tief durch. „Bitte heirate mich!“
Nikolas ließ Isabel nicht aus den Augen. Während sie auf Boyds Antwort wartete, scharrte sie nervös mit einem Fuß auf dem Boden. Was für ein Narr ist dieser Mann, dass er sie so lange warten lässt, dachte er.
Unvermittelt ließ ein Lächeln ihr Gesicht erstrahlen. „Danke. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet!“
Offensichtlich glücklich formte sie mit den Fingern das Siegeszeichen. Zu seiner eigenen Überraschung war Nikolas jedoch nicht erleichtert, sondern empfand Enttäuschung und Bedauern.
„Jovan ruft dich nachher an und teilt dir alle Einzelheiten mit“, sagte Isabel gerade. Vor Aufregung konnte sie kaum still stehen. „Ja, ich weiß! Bis bald, Boyd.“
Sie schaltete das Handy aus, lief zu Nikolas und schlang ihm stürmisch die Arme um den Nacken. „Ich muss keinen Fremden heiraten! Boyd hat Ja gesagt. Vielen Dank!“
Womit er ihren Dank verdient hatte, wusste Nikolas zwar nicht, doch das war ihm in diesem Moment gleichgültig. Er nahm sie fest in die Arme und zog sie an
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