Wie ein Prinz aus dem Maerchen
sinken. Dort blieb sie mit hängenden Schultern sitzen, die Augen geschlossen.
Wie lange sie so saß, wusste sie nicht, und es war ihr gleichgültig. Schließlich wurde eine Tür geöffnet, und Schritte näherten sich ihr.
„Was für ein grässlicher Morgen!“, sagte Juliana.
Als Isabel zur Antwort nur nickte, ließ sie sich neben ihr auf dem Boden nieder.
„Vorsicht, du machst dich schmutzig!“
„Damit wären wir schon zu zweit!“
„Ich will nicht unhöflich sein, aber mir ist nicht nach Reden zumute.“
„Dann hör mir einfach zu.“ Juliana schlang die Hände um ihre Knie. „Nikolas und ich, wir lieben einander nicht.“
Überrascht sah Isabel die Prinzessin an. „Was?“
„Unsere Eltern haben die Verbindung eingefädelt. Arrangierte Ehen sind in Aliano ebenso Tradition wie in Veronia, für Adlige wie Bürgerliche. Mit sieben Jahren war ich zum ersten Mal verlobt, mein Bräutigam wurde später allerdings für unwürdig erachtet. Schade, ich mochte ihn wirklich gern. Mit fünfundzwanzig folgte die zweite Verlobung, leider verliebte sich mein Verlobter in eine Frau, die er auch heiratete. Dann kam Nikolas. Er ist ein ehrenwerter Mann, attraktiv und höflich, doch ich liebe ihn nicht.“
Isabel wagte kaum zu glauben, was sie da hörte. „Ihr kommt so gut miteinander aus!“
„Wir fühlten uns beide verpflichtet, der Verbindung zuzustimmen.“
„Wieso?“
„Wir haben gelernt zu tun, was für unsere Länder das Beste ist. Vermutlich begibt sich mein Vater sofort auf die Suche nach einem neuen Partner für mich, wenn er erfährt, was hier geschehen ist.“
„Das wusste ich nicht. Wie schrecklich!“ Isabel griff nach der Hand ihrer Freundin. „An deiner Stelle wäre ich schon längst davongelaufen.“
Juliana lachte. „Das glaube ich! Doch ich bin mit diesem Brauch aufgewachsen. Aliano ist vermutlich noch altmodischer als Veronia, doch dank unserer Bodenschätze können wir uns eine gewisse Exzentrik leisten.“
„Jemanden zu heiraten, den du nicht liebst …“
„Von Liebe kann ich nur träumen, die Realität sieht anders aus.“
„Für mich auch, und das gefällt mir gar nicht!“
„Ja, die Verantwortung für dein Land steht jetzt auch für dich immer an erster Stelle. Aber soll ich dir ein Geheimnis verraten? Obwohl ich genau weiß, dass ich mir meinen Mann nicht selbst aussuchen kann, gebe ich die Hoffnung auf Liebe nicht völlig auf.“
„Ich wünsche dir viel Glück! Mir bleibt leider keine Hoffnung mehr.“
„Veronia braucht dich!“
„Es ist nicht meine Heimat!“
„Deine Eltern, dein Onkel Frank stammen von hier.“
Das war Isabel an diesem ereignisreichen Morgen ganz entfallen, und sie schämte sich entsetzlich. Sie durfte den drei Menschen, die sie geliebt und alles für sie geopfert hatten, keine Schande bereiten!
„Wenn es sich nur nicht so falsch anfühlen würde! Alles wäre ganz einfach, wäre ich in Nikolas verliebt!“
„Was empfindest du denn für ihn?“
„Das kann ich dir, ehrlich gesagt, gar nicht sagen! Seit ich ihn kennengelernt habe, ist so viel passiert, dass ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht.“
„Vielleicht kommt die Liebe mit der Zeit.“
Isabel seufzte tief. Sie war nur ein kleines Rädchen in einem großen Spiel. Die Menschen in Veronia wollten in Frieden leben, dafür hatten auch ihre Eltern und Onkel Frank sich eingesetzt, und sie wollte ihr Werk fortführen.
„Hoffentlich!“
Nikolas stand vor dem Schreibtisch seines Vaters und presste die Hände zusammen in dem vergeblichen Versuch, sein Temperament zu zügeln. „Ich kann nicht glauben, dass du mich verraten hast!“
„Mein einziges Bestreben ist es, Veronia zu beschützen. Die Separatisten betrachten Isabel als nächste Königin. Ein weiterer Bürgerkrieg muss unbedingt vermieden werden. Auch du wirst als Regent eines Tages vor ähnlich komplizierte Entscheidungen gestellt werden.“
„Dann behandle mich als Kronprinzen, nicht wie eine Schachfigur!“
Dimitri sah ihn betroffen an: „Das war …“
„Du hättest mir deine Gründe erklären können, statt uns zu manipulieren. Jetzt fühlt sich Isabel in die Enge getrieben, und Juliana ist verletzt. Dabei ist die Verbindung mit Aliano für uns immens wichtig.“
„So reich und schön Juliana auch ist, sie wird unser Land nie in dem Maß vereinen können wie Isabel.“
„Vereinen?“ Nikolas bedachte seinen Vater mit einem skeptischen Blick. „Weißt du nicht, was heute Morgen geschehen ist? Die
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