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Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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getragen worden, denn die abgeflachten, verstärkten Spitzen waren abgenutzt, die Seidenbänder vom vielen Schnüren ausgefranst.
    Die Schuhe lagen auf dem Boden, zwischen verstreuten Bildern, Kostümen, Theaterprogrammen und einem dicken, ledergebundenen Fotoalbum. Lauris entgeisterter Blick schoss zum Kleiderschrank. Eine Tür stand offen, dahinter gähnende Leere. Jemand hatte die Kartons herausgenommen.
    Dann trafen ihre Augen auf Jennifer. Die Kleine saß auf dem Teppich und betrachtete versunken eines der Fotos. Langsam, ihre Füße schwer wie Blei, trat Lauri hinter sie und tippte ihr auf die Schulter.
    Lauri, guck mal! Eine hübsche Dame, gebärdete das Kind und blickte zu ihr hoch. Sie hielt ihr das Ärmchen mit dem Foto hin.
    Widerstrebend griff Lauri nach dem Bild und starrte auf die Frau, die auf dem Foto abgelichtet war. Sie trug Trainingsgarderobe und sah blendend aus. Die wollenen Legwarmers betonten die wohlgeformten Waden und unterstrichen die Perfektion ihrer Schenkel.
    Sie lehnte am Barren, als machte sie Pause von ihren Pliés und Pirouetten. Blickte frontal in die Kamera, unbeeindruckt und unverstellt natürlich, als wollte sie das Objektiv des Fotografen geradezu herausfordern, einen Makel an ihrer vollkommenen Schönheit zu entdecken. Ihr dunkles Haar war in der Mitte gescheitelt und in ihrem schwanengleichen Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Die dunklen Augen wirkten riesig in dem herzförmigen Gesicht.
    »Ja, sie ist hübsch«, sagte Lauri kaum hörbar. Ganz mechanisch hatte sie sich neben Jennifer auf den Boden gekauert. Frustriert ließ sie die Schultern hängen, als sie die Frau gewahrte, die Drakes Herz noch immer gefangenhielt.
    »He, ihr zwei, ich habe einen Mordshunger. Was macht ihr denn da oben Schönes?« Drakes aufgeräumte Stimme riss Lauri aus ihrem dumpfen Brüten. Ehe sie sich gefasst hatte, tauchte er schon in der Tür auf. Seine eben noch strahlende Miene erstarrte zu einer grimmigen Maske, als er die Unordnung sah – die Kartons, deren Inhalt wahllos verstreut auf dem Boden ausgebreitet lag, ohne Rücksicht auf ihre frühere Besitzerin, Jennifer und Lauri, die die Erinnerung an seine Frau schnöde und schmerzlich wieder wachgerufen hatten.
    Lauri senkte den Blick, tief erschüttert über die Qualen, die sein Gesicht spiegelte. Sie nahm Jennifer die Ballettschuhe ab, die sie eben an ihren kleinen Füßen probierte.
    Jennifer, geh, wasch dir Gesicht und Hände, bedeutete Lauri ihr mühsam kontrolliert. Jennifer erhob lauten Protest und griff nach den Schuhen, worauf Lauri wiederholte: »Geh!« Die Bestimmtheit in ihrer Stimme duldete keinen Widerspruch, und die Kleine schob sich an ihrem Vater vorbei, der versunken über eine Fotografie gebeugt stand und anscheinend alles um sich herum vergessen hatte.
    Sobald das Kind den Raum verlassen hatte, sagte Lauri: »Tut mir wirklich leid, Drake, was da passiert ist. Schätze, sie hat heimlich hier im Zimmer herumgestöbert. Ich räume gleich wieder auf.«
    »Nein, lass alles so liegen, wie es ist«, versetzte er scharf. »Ich kümmere mich darum und packe es weg.«
    Lauri ließ die rosaseidenen Ballettschuhe fallen, als hätte sie sich daran verbrannt. »Wie du willst«, meinte sie spitz und flüchtete aus dem Zimmer.
    Drake stand weiterhin wie paralysiert im Raum und starrte auf die ringsum verstreuten Fotos.
     
    Lauri machte Jennifer ein Sandwich mit Erdnussbutter und Traubengelee. Das Kind schwatzte mit Bunny, der währenddessen neben ihrem Teller auf dem Tisch saß. Lauri gab ihr alles, worauf sie mit dem Finger zeigte, untermalt von unartikulierten Lauten. Normalerweise war das absolut tabu, aber momentan fehlte Lauri jede Energie, sie darauf aufmerksam zu machen.
    Kaum dass Jennifer ihr Sandwich verdrückt hatte, stürmten
Sam und Sally durch die Hintertür, um sie zum Spielen abzuholen. Lauri streifte der Kleinen das Jäckchen über, das Drake bei dem Einkaufsbummel in Albuquerque für sie gekauft hatte, und schärfte Sam ein, dass sie in einer halben Stunde wieder zu Hause sein müsse.
    »Klar doch. Wir müssen dann sowieso unseren Mittagsschlaf machen«, rief er, während er mit Jennifer die Hoftreppe hinunterlief.
    Lauri sah ihnen versunken nach, als sie durch den Garten tollten. Vor ihrem geistigen Auge war noch immer das Bild der hübschen Ballerina, die so ungeheuer selbstbewusst in die Kamera geschaut hatte.
    Woran war sie eigentlich gestorben? Drake hatte die Todesursache nie erwähnt. Kamen sie zufällig auf

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