Wie es dem Glück beliebt
einen Sinn.«
»Es ergibt absolut einen Sinn.« Mirabelle hielt für einen Moment nachdenklich inne, bevor sie weitersprach. »Wenn Sie sich jemals auf der Suche nach einem Ehemann befinden sollten – und ich hoffe, Sie sind nicht gekränkt, aber ich habe Ihren Äußerungen entnommen, dass Sie das gegenwärtig nicht sind –, schlage ich Ihnen vor, dass Sie genau nach den Herren Ausschau halten, die mit den Mauerblümchen tanzen.«
Sophies Gesichtsausdruck musste ihre Frage beantwortet haben, denn Mirabelle nickte und fuhr fort: »Ein Mann, der mit den am wenigsten begehrenswerten Mädchen tanzt, tut das aus einem von zwei Gründen. Entweder ist er mitfühlend genug, um zu begreifen, dass jedes junge Mädchen unbedingt tanzen möchte, selbst wenn es sein Bestes gibt, desinteressiert zu wirken. Dann gehört er zu den allerbesten und traurigerweise seltensten Herren. Oder seine Mutter zwingt ihn zu diesem speziellen Akt der Ritterlichkeit, und es gibt viel über einen jungen Herrn zu sagen, der mit einem Mauerblümchen tanzt, nur um seiner Mama zu gefallen.«
»Und aus welcher dieser beiden Gruppen stammt Ihre Schar von Bewunderern?«, erkundigte Sophie sich. »Für ein selbst ernanntes Mauerblümchen scheinen Sie ziemlich gefragt zu sein.«
Mirabelle lachte. »Oh, in der Tat. Ich stehe in dem recht zweifelhaften Ruf, Londons beliebtestes Mauerblümchen zu sein.«
»Mir war gar nicht klar, dass das überhaupt möglich ist.«
Mirabelle beugte sich vor, als würde sie ein großes Geheimnis offenbaren. »Der Trick besteht darin, das geringste aller Übel zu sein«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »Die Schar meiner Verehrer rekrutiert sich aus denjenigen, die tanzen müssen, um ihre Mütter glücklich zu machen. In meiner ersten Saison habe ich penibel darauf geachtet, nicht affektiert zu sein, nicht zu flirten und niemandem auf die Zehen zu treten. Wenn möglich, und das war es im Allgemeinen, habe ich meine Tänzer zum Lachen gebracht. Kurzum, ich habe ihnen geholfen, sich ihrer Pflicht auf die denkbar angenehmste Weise zu entledigen, und wenn ihre Mütter beim nächsten Ball wieder verlangten, dass sie mit einem »dieser armen, reizlosen Mädchen« tanzten, erinnerten sie sich daran. Als Gegenleistung für meine Bemühungen bekomme ich Gelegenheit, mit einigen der nettesten Herren unter den Anwesenden zu tanzen, und habe sogar das Vergnügen, einige von ihnen zu meinen Freunden zu zählen.«
Sophie starrte ihre Freundin für einen Moment an, bevor sie den Kopf schüttelte und lächelte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich beeindruckt sein soll von ihrer Schläue oder entsetzt über ihre Hinterlist.«
»Oh, beeindruckt, ohne Frage.«
Sophie blieb eine Erwiderung verwehrt, weil sich ein attraktiver junger Mann näherte, der vor Mirabelle eine schickliche, wenn auch einigermaßen verlegene Verbeugung machte.
»Miss Browning.«
»Mr Abner. Darf ich Ihnen Miss Sophie Everton vorstellen?«
Sophie knickste zur Begrüßung.
»Miss Everton ist gerade von ausgedehnten Reisen zurückgekehrt«, informierte Mirabelle ihn. »Zuletzt war sie in China.«
»Tatsächlich«, bemerkte Mr Abner. »Glänzend, glänzend … genießen Sie Ihre Saison in London?«
»Ja, sehr, vielen Dank«, antwortete Sophie.
»Glänzend.« Er zupfte einmal an seiner Krawatte, dann schien er sich eines Besseren zu besinnen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Mirabelle schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Mr Abner ist ziemlich bekannt als tüchtiger Fechter.«
Mr Abner strahlte und warf kurz einen Blick auf eine respekteinflößende ältere Frau, dann drehte er sich wieder um und fragte: »Miss Browning, werden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen?«
»Ich wäre entzückt«, erwiderte Mirabelle huldvoll und ergriff seinen Arm.
Es kostete Sophie ihre ganze Selbstbeherrschung, eine ungerührte Miene beizubehalten. Sie wähnte sich in Sicherheit, nachdem das Paar ihr den Rücken zugekehrt hatte, doch dann warf Mirabelle ihr über die Schulter einen Blick von solch übertriebener Unschuld zu, dass Sophie sich genötigt sah, zu den nächsten Balkontüren zu eilen.
Es war ein bequemer Fluchtweg und einer, den sie vielleicht später am Abend noch benötigen würde. Sie hatte bereits den erforderlichen Ausflug in den Waschraum gemacht und entdeckt, dass die einzige verschlossene Tür in der Haupthalle unglücklicherweise direkt gegenüber dem Billardzimmer lag, das mit einiger Sicherheit bereits von tanzfaulen Herren
Weitere Kostenlose Bücher