Wie es dem Glück beliebt
einen gewissen Reiz, aber das würde nicht Whitefields Rettung garantieren. Außerdem würde es den Menschen, die sie liebte, das Herz brechen.
Womöglich würde er ihr auch anbieten, ihr bei der Suche nach einem Gatten behilflich zu sein, was, so unvernünftig es auch war – und sie wusste, dass es unvernünftig war –, ihr selbst das Herz brechen würde.
Womöglich würde er auch Hinz und Kunz erzählen, dass es einen Bruch in der Familie gab. Wirklich, wie gut kannte man eine Person nach so kurzer Zeit?
Womöglich würde er Loudor gegenüber erwähnen, wie verzweifelt sie war. Oder womöglich …
Womöglich musste sie den Mund halten und ihn vollständig vergessen.
Auf einer Bank im Hyde Park saßen ein knollennasiger Mann und eine hochgewachsene Frau in einem blauen Kleid.
Sie beobachteten, wie die Vögel von Baum zu Baum flatterten. Für zufällige Passanten waren sie ein wenig bemerkenswertes Paar, das den seltenen englischen Sonnenschein genoss.
»Wie geht es voran?«, erkundigte er sich, hob die Nase in den Wind und genoss die leichte Brise.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete sie. »Soweit ich weiß, haben sie sich seit mehreren Tagen nicht getroffen.«
»Hmhm.«
»Könnten Sie sich in ihm irren?«, fragte sie.
»Ich glaube nicht.«
Sie nickte nachdenklich und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihre Zehen. Sie steckten in dem noch nicht ganz weichen Leder neuer Stiefel, deren Spitzen unter dem Saum ihres Kleides hervorlugten. Es war lange her, seit sie das letzte Mal neue Schuhe gekauft hatte.
»Und Sie?«, fragte er und beobachtete sie, wie sie in die Betrachtung ihrer Stiefelspitzen versunken war.
Sie schaute auf. »Ich kenne ihn nicht einmal.«
»Ich meinte das Mädchen«, erwiderte er mit einem kleinen Lächeln.
»Oh.« Sie setzte die Inspektion ihrer Fußbekleidung fort. »Nein, bei ihr passt es genau. Ich nehme an, dass es sich einfach ergeben wird. Wir brauchen nur Geduld zu haben.«
»Ich bin kein geduldiger Mann.«
»Nein, das sind Sie nicht«, kicherte sie. »Falls es Sie beruhigt, derzeit kursiert ein faszinierendes Gerücht.«
»Und dieses Gerücht wäre?«
Sie hob den Kopf, um seinen Blick zu suchen. »Es heißt, sie sehe sich nach einem Ehemann um.«
Am Abend des Balls bei den Forents ging Alex in seinem Londoner Haus beinahe die Wände hoch. Sein selbst auferlegtes Exil hatte sich als ein spektakulärer Fehlschlag erwiesen. Während der letzten Tage war er abwechselnd nervös, gelangweilt und unerträglich niedergeschlagen gewesen. Seine gewöhnlichen Beschäftigungen hatten nichts dazu beigetragen, Geist und Körper vom Gedanken an oder von der Sehnsucht nach Sophie zu befreien.
Er hatte sich mit Angelegenheiten seines Gutes beschäftigt, eine kurze Reise nach Rockeforte unternommen, um ein wenig zu angeln, hatte zwei Bücher über die Geschichte Chinas gelesen (natürlich zu seiner eigenen Weiterbildung), einmal mit Whit und Lord Loudor getrunken, einmal nur mit Whit und einmal ganz allein.
Beim ersten Trinkgelage hatte sich alles ums Geschäft gedreht, und Alex hatte das Gespräch auf den unbeliebten Prinzregenten gebracht, den Krieg mit Napoleon und auf die Frage, was Loudor von der ganzen schmutzigen Affäre halte. Doch dann war Loudors Wohnungswechsel zur Sprache gekommen. Sophies Cousin hatte als Vorwand genannt, er brauche mehr Privatsphäre. Alex hielt das bestenfalls für eine lahme Ausrede, und so lud er Whit für den nächsten Abend zu einem Gläschen ein, um die Angelegenheit zu erörtern. Bei diesem Zechgelage war nichts herausgekommen, außer einer endlosen Darlegung von Whits klugen und in Whits Augen ungemein amüsanten Erkenntnissen über Alex’ Interesse an Sophie. Dies hatte zu dem letzten, einsamen Zechgelage geführt, das leider mit seiner Lektüre des zweiten Bandes zusammenfiel, wodurch bei Alex die verworrene Vorstellung zurückblieb, dass China früher einmal irgendwie den Franzosen gehört hatte.
Er war müde, verkatert und verärgert, weil ihm klar war, dass er dieses Buch würde noch einmal lesen müssen, bevor er mit Sophie irgendeine Art von Konversation über das Thema versuchen konnte.
Heute Abend wollte er unbedingt mit ihr sprechen. Und am Abend danach. Und jede folgenden Abend, bis er sie endlich satthatte.
Er musste sie haben. Etwas anderes kam nicht infrage. Er war sich nicht sicher, in welcher Eigenschaft er sie wollte, nein, in welcher Eigenschaft er sie haben musste, definitiv haben musste, auch wenn es ganz gewiss im
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