Wie es Euch gefaellt, Mylady
Heaths Fall ohnehin nicht nötig gewesen wäre.
Er verkündete, er habe nicht die Absicht, in nächster Zeit die Nächte in seinem Haus zu verbringen. Julias Einwände konnten nichts daran ändern, er war störrisch und unbeirrbar wie immer.
Es ging eine spürbare Spannung von ihm aus, die Julia befangen machte. Auch die Art, wie er sie ansah, hatte sich verändert. Er wirkte düsterer als sonst, beinahe beängstigend. Aber gerade das zog sie noch stärker in seinen Bann.
Sie schenkte Odham und Hermia ein Glas Brandy ein, als man sich im Salon niedergelassen hatte. Heath saß im Lehnstuhl neben dem Fenster und suchte die regennasse Straße mit Blicken ab. Im Kamin prasselte ein Feuer. Dennoch fröstelte Julia.
Bis Heath sich ihr zuwandte und sie beobachtete.
Sein Blick drang ihr bis ins Herz, erhitzte sie, bis sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, nur noch spürte, wie seine Fantasie durch ihre Kleider drang.
Die Knie wurden ihr weich. Sie goss sich einen großzügigen Schluck Brandy ein und setzte sich aufs Sofa. Odham und Hermia unterhielten sich über die sensationelle schauspielerische Leistung von Miss O‘Neill, Julia aber war nicht fähig, dem Gespräch zu folgen. Es bereitete ihr bereits Mühe, das Glas ruhig in der Hand zu halten und wenigstens so zu tun, als würde sie zuhören.
Heaths dunkler Blick nahm all ihr Denken in Anspruch. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte schwören können, dass ihr Beschützer sich unvermutet in einen Verführer verwandelt hatte. Mit wenigen Blicken, einer Berührung hatte er sie aus der Fassung gebracht. Aber sie durfte sich nicht eingestehen, was sie für ihn empfand. Wenn sie das zuließ, würde sich die Hölle öffnen und sie verschlingen. Sie wäre nicht länger fähig, die Rolle der Gleichgültigen zu spielen. Sie richtete den Blick auf ihre Hände.
Sie hatte das Glas ausgetrunken, ohne einen Tropfen davon geschmeckt zu haben. Heaths fragender Blick wanderte von ihrem Gesicht zum leeren Glas und wieder zu ihren Augen.
„Ich bin müde und gehe zu Bett“, verkündete sie plötzlich und gab vor, ein Gähnen zu unterdrücken. „Gute Nacht und süße Träume wünsche ich allseits.“
Dabei war sie hellwach und würde vermutlich die halbe Nacht lesen. Sie griff nach ihren Abendhandschuhen und erschrak. „Mein Armband ist weg“, entfuhr es ihr mit einem spitzen Laut.
Heath trat zu ihr. „Du hast es schon in der Kutsche nicht getragen. Wahrscheinlich hast du es irgendwo im Theater verloren.“
Sie furchte die Stirn. „Vielleicht. Es war ein großes Gedränge. Hermia, hast du es im Theater noch gesehen?“
Hermia schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ich erinnere mich nicht. Ich weiß nur, dass du es getragen hast, als wir das Haus verließen.“
„Ich kümmere mich morgen darum“, versicherte Heath und folgte Julia zur Tür. „Ich bringe dich nach oben.“
„Denkst du, auf der Treppe lauert eine tödliche Gefahr?“, fragte sie schnippisch.
Er studierte ihr fein geschnittenes Profil. „Man kann nie wissen. Vielleicht auch eine angenehme Überraschung. Möglicherweise finden wir dein Armband.“
Ihr Herz schlug schneller, als er dicht hinter sie trat. Sie stand still, war sich seines starken Körpers bewusst, der sie durch die Seide ihres Abendkleides beinahe berührte. Würde sie sich umdrehen, wäre sie an ihn gepresst. Er ließ ihr kaum Platz zum Atmen. „Du bist ein Schurke, Heath Boscastle“, sagte sie und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Wenn man bedenkt, dass du als Muster an Ehrbarkeit giltst.“
Seine Wange streifte ihren Nacken in einer flüchtigen Liebkosung. Ein prickelnder Schauer durchrieselte sie. „Sieht Hermia, was du tust?“, fragte sie mit belegter Stimme.
„Das bezweifle ich“, raunte er ohne eine Spur von Scham. „Lass uns gehen, nur für den Fall.“
Odham war aufgestanden und näherte sich, während Hermia unbeirrt weiterplauderte. „Ich bringe Julia auf ihr Zimmer, Boscastle“, sagte er.
Heath war zu wohlerzogen, um dem Earl die Bitte abzuschlagen. Julia hätte am liebsten schadenfroh gelacht über Heaths betretenes Gesicht. Er hatte gewiss etwas Anstößiges im Sinn gehabt, das ihm nun vereitelt wurde.
An Odhams Seite durchquerte sie die Diele, ohne zu ahnen, was ihn zu dieser plötzlichen Ritterlichkeit veranlasst hatte. Er wirkte irgendwie bedrückt, beinahe traurig. Dann nahm er ganz unerwartet ihre Hand. Was war über ihn gekommen? Sie spürte, dass ihn etwas bekümmerte, und
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