Wie es Euch gefaellt, Mylady
Kamin. „Ich lasse die Damen nicht aus den Augen, Mylord.“
Julia klopfte das Herz bis zum Hals, als Heath sich verabschiedete. In einer bittersüßen Erkenntnis wurde ihr klar, dass sie um Russel bei seiner Abreise nicht annähernd so besorgt gewesen war. Am liebsten wäre sie Heath nachgelaufen und hätte ihn angefleht, ihn begleiten zu dürfen. Wohin wollte er? Sie hatte Mühe, ihre Haltung zu wahren. Eigentlich sollte sie sich mehr Sorgen darum machen, was passierte, wenn Russell demnächst hier auftauchte.
Ihr Verlobter. Der Mann, der sie betrogen hatte. Der große Kriegsheld. Der Gedanke, neben ihm vor dem Altar zu stehen und das Ehegelöbnis zu sprechen, jagte ihr ein Frösteln über den Rücken. Ein verschwommenes Bild, das sich rasch in Nebel auflöste. Es war nicht richtig. Aber an der lebhaften Erinnerung, wie sie halb nackt in Heaths Armen lag, war nichts falsch. Sie hatte es bislang nicht über sich gebracht, ihn zu fragen, ob er etwas von Russells Treulosigkeit wusste. Es war nicht wichtig. Heath war der einzige Mann, den sie je begehrt hatte, und Russells Treuebruch gab ihr lediglich Gelegenheit, sich der Wahrheit zu stellen.
Julia gab sich einen Ruck. „Tee, Tante Hermia?“
Hermia nickte und nahm Platz. „Vielleicht sollte unser neuer Diener den Tee eingießen“, raunte sie verschwörerisch. „Aber er wirkt etwas unbeholfen.“
„Unbeholfen?“ Julia kicherte ganz leise. „Ich vermute, er reißt einen Baum mit der linken Hand aus. Die Porzellankanne zerbricht womöglich in tausend kleine Scherben, wenn er sie nur anfasst.“
„Wie werden wir ihn wieder los?“, flüsterte Hermia, ohne den Blick von dem Riesen zu wenden.
„Heath hat ihm befohlen, mir auf Schritt und Tritt zu folgen.“
„Grundgütiger.“
„Wollen wir ihn auf die Probe stellen?“
Hermia nickte eifrig.
Als Hamm sich wieder am Kamin zu schaffen machte, huschte Julia lautlos zur Tür. Bevor sie die Klinke drücken konnte, war Hamm bei ihr und öffnete ihr die Tür.
„Fahren wir aus?“, fragte er mit seiner brummigen Bärenstimme. „Soll ich die Kutsche vorfahren lassen?“
Julia warf Hermia einen ratlosen Blick zu. „Fahren wir aus, Tante Hermia?“
Hermia nickte eifrig. „Aber ja. Audrey Watson hat dir eine Einladung zum Tee geschickt. Und ich brauche dringend einen neuen Turban, den ich den Damen morgen vorführen will beim Treffen unseres Malclubs.“
Ein Einkaufsbummel. Mit Hermia und Hamm. Eine Einladung zum Tee im Haus einer stadtbekannten Kurtisane. Julia schwirrte der Kopf. Nicht auszudenken, was Russell davon halten würde, wobei sie dieser Gedanke tatsächlich amüsierte. Er verdiente nichts anderes, als mit einer skandalumwitterten Witwe verlobt zu sein. Geschah ihm grade recht, er hätte Schlimmeres verdient. „Ja, Hamm. Lassen Sie die Kutsche in zwanzig Minuten vorfahren.“ Julia war plötzlich sehr daran interessiert zu erfahren, warum Audrey Watson sie zum Tee eingeladen hatte.
20. KAPITEL
Julia nannte dem Kutscher Audrey Watsons Adresse, die in einem eleganten Haus in der Bruton Street, Ecke Berkeley Square wohnte. Während der Fahrt fragte sie sich immer noch, wieso die gefeierte Kurtisane sie zum Tee gebeten hatte, von deren ausschweifenden Festen die vornehme Gesellschaft hinter vorgehaltener Hand tuschelte. Hermia und Hamm warteten in einem eleganten Vorzimmer, während Julia in den privaten Salon der Hausherrin geführt wurde.
Audrey hatte einen strammen Kosaken zu Gast. Als Julias Besuch angekündigt wurde, gab sie ihrem enttäuschten Liebhaber einen sanften Schubs zur Tür und wies ihn an, einen ausgedehnten Spaziergang zu machen.
Julia blieb auf der Schwelle stehen und stutzte beim Anblick halb gepackter Koffer, Truhen und Reisetaschen auf dem Teppich. Ein wuscheliger weißer Pudel bellte sie vom Samtsofa her an. Der Offizier eilte mit einem knappen Nicken an ihr vorbei, die Mütze in der Hand.
Audrey, in einem wallenden malvenfarbenen Hauskleid, eilte ihr mit offenen Armen entgegen. „Wie schön, Sie zu sehen, Lady Whitby“, strahlte sie. „Ich war mir nicht sicher, ob Sie meine Einladung annehmen würden.“
Julia wartete, bis Audreys bildschöner junger Diener die Tür hinter sich zugezogen hatte. Dem Vernehmen nach ließen sich nicht wenige früh verwitwete Damen der Gesellschaft von Audrey anwerben, um in ihrem Haus ältere Herren kennenzulernen. Die Geliebte eines wohlhabenden Gönners zu sein, stellte für Frauen, die durch den Tod ihres Ehemanns in Not geraten
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