Wie Fackeln im Sturm
Jollivet enttäuscht.
Hugh nahm es mit einem Murren zur Kenntnis.
„Hast du schon etwas von Lackland gehört?“ erkundigte Jollivet sich plötzlich.
„Für dich immer noch King John, Vetter“, verbesserte Hugh seinen Verwandten und schüttelte dann den Kopf.
Gleich nach dem Überfall im Obstgarten hatte er einen Brief an den König geschickt. Darin hatte er den Inhalt des Schreibens seines Onkels wiedergegeben und die letzten Mordanschläge auf Willa erwähnt. Außerdem hatte er zum Ausdruck gebracht, dass er als neuer Earl of Hillcrest dem König auf der nächsten Zusammenkunft bei Hofe die Lehenstreue schwören wolle, und ersuchte King John um Unterstützung bei Willas Schutz. Hugh würde es auf keinen Fall zulassen, dass ihr Vater oder ihr Vetter ihr weiterhin nach dem Leben trachteten. Unglücklicherweise hatte Jollivet sich gezwungen gesehen, Gawain zu töten, und so hatte Hugh keine Gelegenheit gehabt, den Schurken zu verhören. Und das bedeutete, dass er nicht beweisen konnte, dass Alsnetas Neffe von Garrod oder Lord D’Orland beauftragt worden war. Aber Hugh war dennoch zuversichtlich, dass die Angriffe ein Ende nehmen würden, sobald sich der König einschaltete.
Vielleicht hat mein Schreiben schon Wirkung gezeigt, dachte er. Seither war es zu keinen weiteren Angriffen gekommen. Doch die Ruhe war trügerisch, denn immerhin war Gawain, der Hughs Ansicht nach gewiss von Garrod bezahlt worden war, längst aus dem Weg geräumt. Und Hugh hatte weitere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Am Burgtor standen Wachen, die keinen Fremden in den Burghof ließen. Jetzt wünschte Hugh, der König möge seinen Brief endlich beantworten, denn mittlerweile war viel Zeit verstrichen.
Beim klirrenden Klang der gekreuzten Klingen richtete Hugh seine Aufmerksamkeit wieder auf den Übungsplatz. Er beobachtete, wie seine Gemahlin Lucan angriff. Ihr Vorstoß war kraftvoll, und Hugh merkte, dass er vor Bewunderung den Atem anhielt. Ihre Arme wurden von Tag zu Tag kräftiger, ihr Körper voller. Als er ihren Leib zuletzt mit wohltuendem Balsam verwöhnt hatte, war ihm nicht entgangen, dass sie kraftvoller geworden war. Er entsann sich, wie sie sich unter seinen Händen entspannt hatte, bevor er in ihrem Leib eine andere Anspannung hervorrief. Immer wenn er über ihren Rücken strich, berührte er mit Absicht die Seiten ihrer Brüste, oder er streichelte länger als nötig über die Innenseiten ihrer Schenkel. Dann drehte er sie auf den Rücken und umschloss ihre Brüste mit den Händen, um …
„Genug jetzt!“ rief er plötzlich. „Schluss für heute.“
Willa und Lucan schauten zu ihm herüber, doch es war Willa, die widersprach: „Nein! Die Abendmahlzeit ist erst in einigen Stunden.“
„Du bist müde“, sagte Hugh ernst. Entschlossen trat er vor, nahm seiner Gemahlin das Schwert ab und reichte es Lucan.
„Nein, ich bin nicht müde“, entgegnete sie, als er schon ihren Arm ergriffen hatte, um sie zurück zum Burgfried zu geleiten.
„Dann bin ich eben müde“, antwortete er.
„Und was hat das mit mir zu tun?“ Leichtfüßig eilte Willa neben ihm die Stufen zum Burgfried hinauf.
„Eine gute Gemahlin hilft ihrem Gemahl, sich zu entspannen“, verkündete Hugh in recht hochnäsigem Ton. Ehe sie weiter widersprechen konnte, blieb er stehen und schloss sie in seine Arme. Dann küsste er sie. Was zunächst als einfacher Kuss begann, endete schließlich in leidenschaftlich verschmolzenen Lippen, die Willa verrieten, wie sehr ihr Gemahl sie begehrte.
Willas Widerstand schwand, als ihr eigenes Verlangen wuchs. Sie erwiderte Hughs Kuss.
Hugh wollte sie bereits mit sich ziehen, doch Willa umschloss seinen Kopf mit beiden Händen und ließ es nicht zu, dass er den Kuss schon jetzt beendete. Als sie ihm schließlich gestattete, den Kopf wegzuziehen, waren sie bereits im Burgfried und in der Großen Halle. Jetzt, da er genau sehen konnte, wo er war, drängte ihr Gemahl wieder zu größerer Eile. Behände nahmen sie die Stufen zum oberen Stockwerk, und er schloss schon wenige Augenblicke später die Tür des Schlafgemachs mit einem gezielten Fußtritt.
Willa schaute sich in dem Raum um, in dem Lord Richard gelebt hatte. Nach wie vor fiel es ihr schwer, sich an die Herrenkammer zu gewöhnen. Sie waren erst vor knapp einer Woche eingezogen. Da Willa mit den Schwertübungen und Eada mit den neuen Gewändern beschäftigt gewesen war, hatte es länger gedauert, Richards persönliche Habe zu entfernen. Willa richtete ihre
Weitere Kostenlose Bücher