Wie Fackeln im Sturm
nicht mehr genau erinnern. Wie dem auch sei, eines der beiden Tiere war in die Falle eines Jägers geraten. Willa entdeckte das verwundete Tier, als es gerade dabei war, die eigene verletzte Pfote abzubeißen. Irgendwie ist es ihr gelungen, das Tier zu befreien und die Wunde zu versorgen. Dann fütterte sie den Wolf und seinen Partner. Wölfe bleiben nämlich ein Leben lang zusammen, daher wusste Willa, dass der Gefährte nicht weit weg sein konnte. Das verletzte Tier war so geschwächt, dass es keinen Schritt tun konnte, und so fütterte und pflegte sie es, bis es ihm wieder besser ging. Danach blieben die Wölfe immer in der Nähe der Hütte. Ich vermute, auch ein Wolf vermag, die edle Seite eines Menschen zu erkennen, nicht wahr?“
Hugh und Lucan tauschten einen kurzen missmutigen Blick. Keiner von beiden hatte die „edle Seite“ an Willa erkannt. Und nun erfuhren sie, dass sogar ein Wolf klug genug war, Willas wahren Kern zu erahnen.
Einen Moment lang sagte keiner ein Wort, bis Lord Wynekyn sich räusperte, die Schultern straffte und fragend die Brauen hochzog. „Wann soll die Hochzeit also stattfinden?“
Hugh wusste, dass alle auf eine Antwort warteten, aber er vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen. Er erhob sich und begann in der Halle auf und ab zu schreiten. Am liebsten hätte er allen mitgeteilt, er wolle auf der Stelle heiraten. Unglücklicherweise beschlich ihn aber die Befürchtung, dass die Chancen einer Eheschließung eher schlecht standen. Denn er ging davon aus, dass er viel an Willa gutzumachen hätte, bevor sie in eine Heirat einwilligen würde, und er hatte keine Ahnung, wie lange sein Werben dauern mochte. Oh, wie schnell ist der Mächtige doch gefallen, dachte er. Noch vor zwei Tagen war Hugh ein armer Ritter gewesen. Dann hatte er für einige Tage in dem Glauben gelebt, ein reicher Earl zu sein.
Und bin ich nicht genauso hochnäsig daherstolziert wie jene Damen, die mich wegen meiner Armut abgewiesen haben, überlegte er und schalt sich im Stillen einen Narren. Jetzt war er ein mittelloser Earl, und dieser leere Titel erschien ihm nicht viel ersprießlicher als das Dasein eines mittellosen Ritters. Tatsächlich kam ihm seine momentane Lage schlimmer vor. Als armer Earl … Sein beklommener Blick schweifte zu den Bediensteten, die sich beflissen in der Halle zu schaffen machten. Gütiger Gott!
3. KAPITEL
„Mylord?“ fragte Lord Wynekyn nach.
Hugh räusperte sich und nahm wieder auf einer der Bänke Platz. Um dem älteren Mann nicht in die Augen sehen zu müssen, griff er nach dem Becher mit Ale und tat einen kräftigen Zug. „In einer Woche müsste es machbar sein.“
„In einer Woche?“ Lord Wynekyn wirkte erstaunt. „Aber es war Richards ausdrücklicher Wunsch, die Trauung möge unmittelbar nach seinem Tode stattfinden. Er …“
„Nein. Das kommt nicht infrage.“
„Warum nicht?“
Als Hugh schweigend dasaß, weil ihm keine passende Ausrede einfiel, ohne seinen groben Fehler preiszugeben, schaltete sich Lucan vermittelnd ein: „Lord Hillcrest ist erst vor wenigen Tagen verstorben. Das arme Mädchen trauert immer noch sehr, wie auch Hugh. Es wäre doch gewiss angemessen, zwei oder drei Wochen verstreichen zu lassen, oder nicht? Zumindest hätte das Paar genug Zeit, um sich auf die Zeremonie und das Hochzeitsfest vorzubereiten.“
„Ah.“ Sehr zu Hughs Erleichterung wich die Entrüstung allmählich aus Lord Wynekyns Zügen. „Daran hatte ich gar nicht gedacht. Vielleicht wäre eine solche Zeitspanne nicht von Nachteil“, räumte er ein.
„Ja“, murmelte Hugh, hielt den Blick weiterhin auf sein Ale gerichtet und dachte über seine Lage nach, während die Unterhaltung um ihn herum weitergeführt wurde. Am liebsten hätte er unverzüglich mit Willa gesprochen und versucht, den Schaden wieder gutzumachen, den er angerichtet hatte. Doch schließlich hielt er es für klüger, ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, bis ihr Zorn sich wieder gelegt hatte. Wie lange mag sie wohl verstimmt sein, fragte er sich. Nach zwei oder drei Monaten müsste sie sich wieder beruhigt haben, aber so viel Zeit hatte er nicht.
„Was hältst du davon, Hugh?“
Die Stimme seines Gefährten riss Hugh aus seinen Gedanken, und er schaute auf. „Was?“
„Lord Wynekyn hat soeben vorgeschlagen, dass wir Lady Willa und die Hexe, ich meine, Eada“, verbesserte sich Lucan rasch, „hierher auf die Burg holen könnten.“
Hugh fuhr der Schreck in alle Glieder. Wenn Willa hier auf der
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