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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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tatsächlich meine. Sie muss von meinem Bauchgurt gerutscht sein, als ich auf dem mehrere Hektar großen Feld kurz meinen Rucksack abgesetzt habe! Bevor ich Worte finde, stellt sich der Mann als Brad und seine Freundin als Savannah vor, grüßt kurz „bye, bye“ und wandert weiter.
    „Halt, ich will mich bedanken,“ doch die beiden sind schon weg. Was bin ich für ein Glückskind! Hoffentlich treffe ich sie wieder, damit ich mich revanchieren kann. Allerdings hätte ich ihnen in diesem Dorf nicht einmal irgendetwas ausgeben können, denn die einzige Bar ist noch geschlossen. Es gibt hier auch keine Pastelería, Maja muss sich ihren akuten Tortenschmachter verkneifen, doch in unserer Phantasie warten heute irgendwo Leckereien auf uns, schließlich ist Sonntag. Die Vorfreude darauf lässt uns Hitze und Staub ertragen, aber leider durchwandern wir in den vielen nächsten Stunden nur halbverfallene, menschenleere Lehmdörfer, flüchten für zwei Stunden auf eine Wiese an einem Fluss in kühlen Schatten, zupfen danach eine halbe Stunde kleine Kletten von uns ab und haben im nächsten trostlosen Ort die traurige Gewissheit, dass es nach dem Flaschenwunder nicht auch noch ein Tortenwunder gibt. Maja nimmt es mit bewundernswerter Gelassenheit. Erst als unser Wasser zur Neige geht und am nächsten Brunnen eine Aufschrift warnt ,Agua non potable’, machen wir lange Gesichter, die sich erst wieder aufhellen, als uns ein vorbeikommender Bauer demonstriert, dass das Wasser doch trinkbar ist. Gott sei Dank, denn jetzt müssen wir auf einen schattenlosen Sandweg direkt neben die Schnellstraße. In noch größere Hitze und noch mehr Staub. Als endlich die Bäume und Häuser von Belorado auftauchen, sinke ich auf dem ersten schattigen Quadratmeter völlig geschafft zu Boden. Welch eine Tortur.
    Nicht nur wir sind von der Hitze erschöpft, auch der Hospitalero hockt mit aufgestütztem Kopf dösend auf einem Schemel vor der Tür des ehemaligen Kirchentheaters, das jetzt Herberge ist. Und sein Partner liegt schlafend auf einer Bank auf der schattigen Seite des hitzeflimmernden Kirchplatzes. Kaum mag ich die beiden stören, und sie lassen sich auch nicht wirklich stören, bedeuten un s hineinzugehen und uns ein Bett zu suchen — „... und alles andere machen wir später“. Herrlich, dieses kühle, alte Gemäuer mit seiner skurrilen Architektur. Einige Stufen führen in die Küche auf der ehemaligen Bühne, und über eine knarrende Holztreppe geht’s hinauf in enge, ziemlich abgewrackte Schlafräume auf den ehemaligen Theaterrängen. Egal. Pause. Schlafen.
    Später sehen wir, wie schön es hier ist, wie Kirche und Herberge sich an einen Sandsteinfelsen unter eine Burgruine lehnen, und hatten noch nie einen so romantischen Platz zum Wäschewaschen wie diesen Garten voller Walnussbäume.
    Halb verhungert drängt es uns bald in die Stadt, doch vorher frage ich den Hospitalero, wann heute ein Gottesdienst stattfindet. „Um halb acht. Ihr habt vorher noch genug Zeit zum Essen, der Weg ist nicht weit.“ Nein, es ist nicht weit, und das lebendige Treiben in den Cafés rund um den Marktplatz erscheint viel versprechend, doch selbst hier gibt es keine Torte und vor 20 Uhr nur Snacks oder Tapas. Da tröstet auch die nette sonntagnachmittägliche Atmosphäre nicht, wir müssen uns mit dem Abendbrot gedulden und vorher hungrig zur Messe gehen.
    Aber ich habe Pech, just als ich komme, endet der Gottesdienst, weil sein Beginn wegen eines Gemeindefestes vorverlegt worden war.
    Schade. Und nun? Nun verlässt die Gemeinde die Kirche, versammelt sich auf dem Kirchplatz, und einige Frauen und Männer bringen auf großen Tabletts Tortillas, Chorizo-Wurst, Oliven und Käse, und bewirten alle auf dem Platz anwesenden Menschen damit. Auch uns herumstehende Pilger. Und wehe, wir greifen nicht gleich zum freundlich Angebotenen, unsere Gastgeber weichen nicht, bevor wir Hände und Münder voll haben. Es scheint kein Ende zu nehmen, immer mehr Platten werden gebracht, Becher mit Wein und Limonade in unsere Hände gedrückt, wir werden zum Zugreifen genötigt und weiter mit all den Köstlichkeiten gefüttert, bis wir nicht mehr papp sagen können. Die Stimmung um mich ist gut, doch ich bin die Vergnügteste, weil meine Heiterkeit über Katharinas Prophezeiung immer größer wird: „Kauft nichts ein, was ihr mitschleppen müsst, ihr werdet schon zu essen bekommen.“ Es ist also doch noch ein weiteres Wunder geschehen...
    Der Abend ist fast zu schön, um

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