Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
weiter, Distanz schaffen. Und zwar gleich. Ich bleibe nicht, als Maja meinen Platz unter den Bäumen einnimmt, verabschiede mich krampfhaft locker und gehe wieder zurück in die Sonne, fühle mich wie auf der Flucht.
Eine Stunde nur bis Hontanas, doch die ist schrecklich in der Gluthitze. Als sich unvermittelt Kirchturmspitze und Dächer des Ortes in einer Senke vor mir erheben, fühle ich mich, als hätte ich kein Blut mehr in den Adern und bin so erschöpft, dass ich nicht mehr weiter mag. Ich muss vernünftig sein und akzeptieren, was ist. Ich werde hier bleiben, wackele den Weg zur Dorfstraße hinab und kann weiter hinten zwischen den Lehmhäusern auch schon die Herberge ausmachen. Doch vorher steht ein gammeliges Schild an eine Hauswand gelehnt und lädt in eine Bar ein. Rettung — ein starker Espresso wird mich vor einem Kreislaufzusammenbruch bewahren.
Es sind nur ein paar Stufen zur offenen Tür hinauf, dann stehe ich in einem dreckigen Loch voller Gerümpel und bin sprachlos. Die Möbel sind zerbrochen und durcheinander, der Fußboden liegt voll Müll. Fliegen krabbeln auf den schmutzigen Tischen, der Wirt sieht aus wie sein Etablissement und reagiert auf meine Frage nach Espresso abweisend und mürrisch, jetzt wäre Essenszeit. (Wer bitte, würde denn hier etwas essen wollen?) Meckernd bequemt er sich die Kaffeemaschine anzustellen, fischt aus einem Eimer voll kaltem Wasser und schmutzigem Geschirr ein Glas, wischt es mit einem undefinierbaren Stück Stoff ab und gießt den Espresso hinein. Glücklicherweise ist es fast dunkel hier drin und ich bin so fertig, dass mich nichts aufregt. Auch nicht, dass ich doppelt so viel zahle wie gewöhnlich. Egal, nur raus hier.
Die wenigen Schritte bis zu den Wäscheleinen sind schnell gegangen. Neben einer Ruine mit eingestürztem Dach steht das Refugio, in dem die Hospitalera mir zur Übernachtung ein Abendessen anbietet. „Ja, gern“, nicht mehr gehen und mich um nichts mehr kümmern.
Und dann staune ich. Dieses Natursteinhaus aus dem 14. Jahrhundert ist zu einem architektonischen Kleinod restauriert worden. Wo ich hinsehe sind Lichtschächte, Raumverbindungen und Offenheit, ich gehe durch alle Räume, freue mich an der geschmackvollen Einrichtung, den schönen Materialien und der Raumaufteilung, fühle mich augenblicklich wohl. Zwar finde ich nur noch ein oberes Bett, doch das ist breit und hat eine große Ablagefläche mit einem Schrank darunter, ich kann mich und meine Sachen ausbreiten. Nein, die Wochen auf der Straße haben in mir noch nicht ganz das Bedürfnis nach Komfort absorbiert, ich genieße die gute Matratze und ruhe, bis mich die Neugier wieder umtreibt.
Die Herberge ist voll, aber Maja ist nicht hier. Wo dann? Ich höre nicht auf, mir Gedanken um sie zu machen, obwohl ich es eigentlich nicht will, und gehe hinaus, um mich abzulenken. Der Ort ist klein und romantisch. Halbverfallene Fachwerkgalerien zwischen Häusern überbrücken die wenigen kleinen Querstraßen, im Brunnen an der Kirche kühlt ein krummer Greis seine Weinflaschen und in den Gassen sitzen schwatzende alte Frauen mit Handarbeiten. In den Geländeabbruch am Dorfrand sind Wein- und Gemüselager wie Höhlen gegraben, mit uralten eisenbeschlagenen Türen verschlossen. Ich bin schnell um das Dorf herum, nur in der Seitenstraße war ich noch nicht. Und da finde ich Maja. Im vollen, lauten Ausweichquartier in einer Turnhalle sitzt sie auf ihrem Bett, und ich gehe zu ihr, um zu hören, dass es ihr gut geht. Ja, es geht ihr gut und sie akzeptiert den neuen Zustand. „Na dann bis später, beim Essen.“
Doch wir treffen uns nicht mehr, weil die Hospitalera für viele zu kochen hat, in zwei Gruppen nacheinander gegessen wird, und ich zu den Herumstehenden gehöre, die schon vor der Zeit resolut von ihr in den Essraum getrieben werden, wo sie mich an das Ende eines Tisches zu elf fremden, französisch und englisch sprechenden Menschen kommandiert. Die Stimmung ist gut, es wird geschwatzt und gelacht, viele scheinen sich zu kennen. Ich kenne niemand, sitze dabei und schaue zu, fühle mich wohl, schweige, beobachte. Vermisse nichts.
„Where do you come from?“ Der distinguiert wirkende Engländer neben mir beginnt einen Smalltalk, und ich lasse mich nach kurzem Zögern auf ein Gespräch ein. Das ist gar nicht so schlimm, denn er ist gut zu verstehen ist und scheint auch mich zu verstehen, es beginnt sogar Spaß zu machen. Aber was bringt diesen reserviert wirkenden, sympathischen Mann
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