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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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Theorie und Philosophie fernöstlicher Heilkünste und schmolz entspannt dahin. „Bitte nicht aufhören.“ „Doch, es ist Abendbrotzeit. “
    An diesem Nachmittag und Abend habe ich so viel gelacht wie schon lange nicht mehr, und fand diese Seite des Daseins abseits von Stille, Traurigkeit und Alleinsein sehr, sehr schön.

Mouseturtle
Terradillo de los Templarios — El Burgo Ranero > 32 km

    6 Uhr 30.
    Nein, nicht aufwachen, es ist so schön zu schlafen. War das eine gute Nacht, aber wieso sind alle Betten leer, wo sind die anderen Mädels? Ich habe nicht bemerkt, dass sie gegangen sind, habe herrlich fest geschlafen und fühle mich pudelwohl. Na, dann stehe ich jetzt auch auf und packe, kaufe mir bei der Señora im Restaurant Tee zu den seltsamen Essensresten aus meinem Rucksack, und frühstücke im dunklen Garten. Nur mit mir, weil niemand mehr hier ist, den ich kenne und der mir „Guten Morgen“ sagt. Seltsam wieder so allein zu sein nach der netten Gesellschaft gestern Abend, doch ich habe es ja so gewollt. Eigentlich ist die Kombination von Tagsüber-allein-Wandern und Abends-Gesellschaft-Haben-oder-auch-nicht ideal. Und die Momente, in denen ich mich verloren und einsam fühle? Die gehören wohl einfach zum Leben.
    Niemand ist auf der Straße in der Dunkelheit vor oder hinter mir, aber auch heute ist der Weg nicht zu verfehlen. Die Dorfstraße wird zum Feldweg und der wird zur durchgehenden Piste zwischen zwei Landstraßen ohne Verkehr. Was für eine einsame Welt, in der ich mich meines Daseins freue, und welch unvergesslicher Sonnenaufgang über den Hügeln. Jetzt würde ich gern wie ein Vogel fliegen und singen können, doch ein Dankgebet an Gott muss reichen, um meine Freude über mein Leben auszudrücken — wie bin ich doch glücklich! Auch die wohltuende Stille ist wieder um mich, und das weite Land und ein guter Weg unter meinen Füßen.
    Die Landschaft ist eintönig, doch mir fehlt nichts. Ich laufe flott, beobachte Vögel, lasse meine Gedanken Gedanken sein, schaue zum einzigen Dorf hinüber, grüße hin und wieder einen anderen Menschen, und muss leider der Piste neben eine Schnellstraße folgen, wo Sahagún in der Ferne zu sehen ist. Noch einmal gabelt sich der Weg, ich wähle den schmaleren, grünen, weil ich nicht weiß, welcher wohin führt, und komme zu einem Flüsschen und einer frei stehenden romanischen Kapelle. Wieder so ein magischer, phantasieanregender Platz, doch die Kirche ist verschlossen, ich kann mich nur draußen in den Schatten legen, um ein Weilchen zu träumen. Natürlich nicht für lange, ich hab jetzt Lust auf Café und Sahagún ist nicht mehr weit, nur noch durch Gartenland, dann bin ich schon zwischen den Häusern dieser alten Pilgerstadt.
    Aber wo sind die gelben Pfeile? Der Ort ist größer als die letzten, und es gibt ziemlich viele Gassen. Jetzt vermisse ich einen Reiseführer, fühle mich unsicher, doch gehe einfach weiter und — natürlich kommt alles wie es soll — da ist meine ersehnte Pastelería, ein belebtes Gartencafé auf einem baumbestandenen Platz. Und mittendrin sitzen Roberte und Eric. „Guten Morgen Langschläferin, wir haben auf dich gewartet, denn du weißt doch bestimmt nicht, welchen Weg du heut gehen wirst.“ „Wie, welchen Weg?“ „Für die nächsten 27 Kilometer gibt es zwei Möglichkeiten, den historischen Camino und eine Nebenroute. Aber mach dir keine Gedanken, geh einfach mit mir.“
    Erics Angebot hört sich gut an. „Warum nicht?“ Ich möchte mich um nichts sorgen, nur hier im Baumschatten von den 13 Kilometern in zwei Stunden und zwanzig Minuten heute Morgen ausruhen, mehr von diesem leckeren Kuchen essen, und noch mehr café con leche, „grande, por favor“. Schade, dass Roberte sich schon verabschiedet, um sich anderen Wanderern anzuschließen. Wir nehmen uns in die Arme, sie küsst mich liebevoll schwesterlich auf die Wange, und da schmilzt meine Reserviertheit gegenüber Frauen ein wenig.
    „Musst du noch einkaufen? Dann tu es jetzt, heut gibt es keine Gelegenheit mehr!“ Schon wieder Fürsorge — himmlisch. „Ja, ich lauf schnell rüber zur Apotheke, hab meinen Fußpuder in Hontanas vergessen.“ Wieder dauert es typisch spanisch-lange, bis die Apothekerin und ihre Kundin ausgeschwatzt haben, doch in der Zwischenzeit kann ich meinen nächsten spanischen Satz lernen: „Polvo para los pies, por favor.“
    Ich bin nicht die Einzige, die im Café Schuhe und Strümpfe auszieht, um ihre Füße zu pflegen, aber bestimmt die

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