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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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Vormittag und schlüpfe in das fürchterliche Bett, weil es nichts mehr gibt, für das sich das Wachsein lohnt. Auch die Geschichte der einzigen anderen Menschen in meinem Schlafsaal nicht. Weil es mich nervt zu hören, dass diese beiden Männer in 21 Tagen 850 Kilometer vom Somport-Pass nach Santiago gehen wollten — bis einer von ihnen vereiterte Blasen bekam und sie mit dem Bus fahren mussten. Jetzt hat er dazu noch eine Sehnenreizung, liegt mit einem Eisbeutel auf dem Knöchel im Bett, hadert mit seinem Los und versteht offenbar gar nichts. Nicht die Botschaft ,nimm dir Zeit’ und auch nicht ,beachte dich liebevoller’, und das ärgert mich. Weil ich selbst es auch kaum besser mache.
    Und außerdem zieht langsam eisige Kälte durch die dünnen Wände und ich habe alles satt. Gute Nacht.

Geschenke
Vega de Valcarce — Hospital da Condesa > 18 km

    „Nein, ich kann Ihnen nicht helfen, mit dieser Karte werden Sie nirgendwo in Spanien Geld bekommen.“ Na toll. Die Bankangestellte legt den Telefonhörer nach ihrem fünften Gespräch auf die Gabel. „Und wenn ich eine Online-Überweisung von meinem Konto zu ihrem Konto hier mache? Sie müssten mich nur kurz an ihren PC lassen.“ Sie schüttelt ihren Kopf: „Nein, so etwas geht nicht.“ Und nun? Ratlos sitze ich ihr gegenüber. „Es gibt vielleicht noch eine Möglichkeit per Post. In einer Stunde kommt die Posthalterin zu mir, ich will sie fragen, kommen Sie dann noch mal wieder.“ Normalerweise würde ich jetzt heulen, doch ich bin supergelassen, habe Hoffnung, werde in den anderen Banken mein Glück versuchen. Wer vorhin den eisigen Ostwind auf der dunklen Frühstücksterrasse überlebt hat, gibt nicht so schnell klein bei...
    „Buenos días, Señores.“ Die beiden Männer an ihren Schreibtischen heben kaum die Köpfe, als ich sie anspreche, schauen blasiert ablehnend und bedeuten mir, dass ich störe. Danke, na dann nicht. Bleibt Bank drei.
    Hier begrüßt mich ein smarter Mann lächelnd, streicht sein Haar nach hinten, knöpft sein Jackett auf, lehnt sich zurück und steckt sich eine Zigarette an. „Also“ — tun kann er eigentlich nichts, in so einem Fall ist nichts zu machen, „doch vielleicht...“; er nimmt meine Karte, klebt die Teile mit Tesafilm zusammen und — steckt sie in den Geldautomaten. Ich halte den Atem an und mein Herz klopft schneller, aber natürlich funktioniert das nicht — doch sie kommt wenigstens wieder raus. Jetzt geht es um seine Ehre, er bietet mir einen Stuhl an und beginnt zu telefonieren, und weil ich Zeit habe und mir egal ist, wo ich sie zubringe, mache ich’s mir gemütlich und warte. Inzwischen hat ein Bus vor der Tür Dörfler ausgeladen, die in den Raum strömen, mich anstarren und ihn ausfragen. Er wird ein Stück größer und erzählt, und wieder drehen alle die Köpfe zu mir, schnattern miteinander und freuen sich über die Abwechslung, die mein Missgeschick ihnen bietet. Ein kleiner, alter Mann tritt einen Schritt vor und spricht mich an — auf Spanisch — und ich antworte — auf Deutsch —, das hebt die Stimmung, alle werden fröhlich und laut, bemitleiden mich, lachen und schwatzen. Irgendwann schüttelt mein Caballero den Kopf. „Sorry. No possibility.“
    Die Stunde ist um, ich versuche es noch einmal bei der Dame in Bank eins. „Zeigen Sie mir, wo Sie in den nächsten Tagen sind.“ Sie schaut auf den Plan, nickt fröhlich und beendet meine Sorgen: „In Sarria ist eine Post. Wenn jemand in Deutschland Geld per Western Union dorthin anweist, können Sie es zwei bis drei Stunden später dort holen.“ Sarria ist 60 Kilometer entfernt, höchstens drei Tage Fußweg, so lange reicht mein Geld. „Vielen, vielen Dank, jetzt kann ich unbeschwert weitergehen.“
    In einen herrlichen Tag. Durch Eichen- und Kastanienwälder im engen Flusstal, steil hinauf, und über eine kleine Brücke in das Straßendorf Ruitelán mit seinen großen Obstgärten in einer Flussschleife. Auf einen holperigen Pfad zu einer schmalen Landstraße, von der ich das erste Mal einen freien Blick über die Berge vor mir habe. Jetzt muss ich ein kurzes abschüssiges Stück hinunter, auf einen steinigen Hohlweg zwischen geschichtete, überwucherte Schiefermauern, von denen Farn, Brombeerranken und Feigen hängen, glitsche auf Kuhfladen aus, ächze über den erneuten steilen Anstieg und bin glücklich. Ein knorriger, alter Mann bückt sich hinunter zu dem mit Walnüssen übersäten Weg, und legt mir einige davon in die Hände.

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