Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
Brot und waren so fröhlich wie gestern Abend.
„Adiós, vielleicht treffen wir uns wieder.“ Gern! „Es war schön mit euch und lustig“, und gut, mal wieder Deutsch zu sprechen. In den letzten Tagen blieb ich oft beim Denken stecken, um nach einem passenden Wort zu suchen, weil ich in meinem lückenhaften Englisch dachte. Vielleicht würde mein wirrer Kopf jetzt zurückschalten.
Das Dorf war wirklich das schmutzige Kuhdorf, als das Andreas es gestern nach seinem Rundgang geschildert hat, doch die Ruhe und die uralte Kapelle machten den holperigen, modderigen Weg wett. Ich fand meinen Rhythmus, wurde wieder zu einem Teil der Straße und wanderte leichtfüßig auf den höchsten galicischen Pass des Jakobswegs, wissend, dass ich nach diesem Alto do Poio stetig bergab gehen werde. Bis nach Santiago. Ein seltsames Gefühl. Wie oft hab ich in den vergangenen Wochen ,das erste Mal’ erlebt, und nun gibt es schon ,ein letztes Маl’.
Nachdenklich trank ich meinen Café auf der Passhöhe, genoss den Blick zurück über das grüne Gebirge und begann Abschied zu nehmen. Nur noch 140 Kilometer bis Santiago. Erst fünf Wochen lebe ich auf der Straße und an fremden Plätzen und erkenne mich in meinen Reaktionen und Gefühlen kaum wieder. In mir geschieht Verstehen und Veränderung, manchmal bewusst und laut, doch auch so sanft und unmerklich, dass nur die neuen Gedanken und mein ungewohntes Verhalten von den inneren Prozessen zeugen. Fragen haben sich gestellt und beantwortet, und ich bin sicher, dass auch die fehlenden Antworten noch kommen werden. Ich kann jetzt abwarten, habe meine Ungeduld verloren, werde täglich stiller und fühle mich gut dabei. Besonders wenn ich allein bin. Wie sollte ich auch noch mehr Reflexion verarbeiten? Ich möchte nur noch dem nachspüren, was bisher geschehen ist und einfach weiter gehen. Und Eric irgendwann erzählen, welche Veränderung unsere Begegnung in mir ausgelöst hat und wie dankbar ich ihm bin. Wo er jetzt wohl ist? Hoffentlich geht es ihm so gut wie mir.
Es ging mir wirklich gut, ich war glücklich auf diesen vielen Kilometern auf einem Pfad neben der auto- und menschenleeren Straße nach Triacastela, freute mich über blühenden Ginster, feucht duftende Wiesen, die Dörfer und Feldwege und über einen einzigartigen Walnussbaumwald.
Auf einem Wiesenweg betrat ich den Ort und traf Rainer. „Die anderen sind schon weitergegangen, über die Berge nach Calvor, wo gehst du?“ „Ich will morgen in Sarria sein und nehme den Weg über Kloster Samos. Das ist zwar sieben Kilometer weiter, aber es sitzt in meinem Kopf, dass ich dorthin will. Irgendjemand hat von den Messen und Vespern der Benediktinermönche erzählt, dass man unbedingt dabei gewesen sein muss, ich stell es mir wunderschön vor und kann zur Zeit jeden Kontakt zum Himmel brauchen.“ Meine finanzielle Situation belastet mich mehr als mir lieb ist — trotz des Rettungshunderters und Max’ beschwichtigender Worte am Telefon: „Ja, das Geld ist schon angewiesen, schreib dir die Codenummer auf, außer ihr brauchst du nur deinen Ausweis, die Summe und meinen Namen als Einzahlenden, mach dir keine Sorgen, es wird schon klappen.“ Wie selbstverständlich er ohne zu zögern alles für mich tut, ich kann mich wirklich auf ihn verlassen. Das ist eine der Eigenschaften, die ich schätze. Doch sonst? Warum ist der Gedanke so schrecklich, dass er herkommen könnte, um den Rest des Weges mit mir zusammenzugehen? Früher hätte ich überglücklich Ja gesagt, damals, in den Jahren unserer verliebten Symbiose. Doch seit einiger Zeit rücke ich ab und kämpfe um Freiräume, bin oft enttäuscht und unzufrieden, und er ist enttäuscht, dass ich nicht glücklich bin. In dieser Spirale stecken wir fest und wissen nicht weiter. Mal sehen, was passiert, wenn ich verändert nach Hause komme.
Die Codenummer habe ich mir gleich dreimal aufgeschrieben, um ganz sicher zu sein, und am Ortsende den Weg nach Samos eingeschlagen. Bin an einer großen Straße entlanggelaufen, habe beim ersten Dorf den Río Ouribio überquert und sein ruhiges Tal betreten, das ich viele Stunden durchwanderte. Enten schnatterten auf dem Fluss, Mühlenwehre rauschten, die Luft schwirrte von Insekten und Schmetterlingen, es war wolkenlos und warm und ich wanderte im Schatten von Bäumen neben moosbewachsenen Steinmauern. Kreuzte häufig den Bach, durchwanderte stille, menschenleere Dörfer, zeichnete die originellen Feldbegrenzungen aus quadratmetergroßen
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