Wie man die richtige Arbeit für sich findet
werden sollten wir aber nicht. Flow ist nicht alles. Vielleicht tun wir ja alle diese anspruchsvollen und kreativen Dinge, aber unsere Arbeit befriedigt uns letztlich trotzdem nicht, weil sie unseren Werten widerspricht oder keine der anderen Aspekte von Sinn enthält, die wir weiter vorn erörtert haben. Wir brauchen beides: Flow und Sinn. Aber sogar diese aufregende Kombination genügt noch nicht für die tiefsten Formen der Erfüllung. Ein Drittes müssen wir noch in den Blick nehmen, nämlich ob eine Arbeit uns das befreiende Geschenk der Freiheit macht.
38 Zitiert in: Richard Sennett, Der flexible Mensch , 7. Aufl. Berlin, BvT Berliner Taschenbuch Verlag 2010, S. 108.
39 Herminia Ibarra, Working Identity , S. xii, 16, 18,91
40 Ibid., S. 45.
41 Ibid., S. 113-120.
42 Mihaly Csikszentmihalyi, Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz . 2. Aufl. Stuttgart, Klett-Cotta 2004, S. 56 ff und S. 81.
43 Ibid., S. 64.
44 Ibid., S. 147 ff.
5 Die Sehnsucht nach Freiheit
Ein Manifest menschlichen Strebens
In seinem Buch Das Ende unserer Epoche beschreibt der visionäre Ökonom Ernst Friedrich Schumacher in Versform die in der westlichen Gesellschaft so verbreitete »Sehnsucht nach Freiheit«. Dieser Wunsch, sagt er, umfasst eine ganze Reihe befreiender Ideen:
Ich möchte mich nicht an der täglichen Jagd nach Geld unter Leistungsdruck beteiligen müssen.
Ich lehne die Versklavung durch Maschinen, Bürokratien, Langeweile und Hässlichkeit ab.
Ich will kein geistloser Roboter und kein Pendler sein.
Ich will nicht das bloße Bruchstück einer Person sein.
Ich möchte auf eigenen Füßen stehen.
Ich möchte (vergleichsweise) einfach leben.
Ich möchte mit Menschen zu tun haben, nicht mit Masken.
Es kommt auf die Menschen, auf die Natur, auf Schönheit an, auf das Ganze.
Ich möchte mich für etwas einsetzen können. 45
Dieses poetische Manifest, das Schumacher in den siebziger Jahren schrieb, spricht wahrscheinlich auch heute noch viele Menschen an, die ihre Arbeit nicht als erfüllend erleben. Sie leiden unter chronischer Überlastung – einem der Hauptgründe für Arbeitsplatzunzufriedenheit im Westen – und sind, wenn sie nach einem aufreibenden Tag und einem langen Heimweg zu Hause ankommen, meist zu erschöpft und zu müde, um noch Hobbys zu pflegen, mit Freunden auszugehen oder Kraft fürs Familienleben aufzuwenden. Einige Aspekte ihrer Arbeit bereiten ihnen ja vielleicht Freude, aber sie wollen sich nicht den ganzen Tag von schwadronierenden Chefs schikanieren lassen müssen. Sie möchten am Wochenende nicht ständig mit E-Mails aus dem Büro bombardiert werden. Sie berichten von »gnadenlosem Konkurrenzkampf«, sprechen von sich als »Lohnsklaven«, als Menschen, deren Work-Life-Balance nicht stimmt. Sie träumen davon, mehr Freizeit, Autonomie und Freiraum im Leben zu haben, damit sie ihre Beziehungen pflegen und sie selbst sein können.
Nicht jeder empfindet die Bedingungen des modernen Arbeitslebens als einengend; viele Menschen genießen die anspruchsvolle Arbeit und die langen Arbeitstage und widmen sich mit Leidenschaft ihrer Karriere. Aber wenn Sie das Gefühl kennen, von der Arbeit ausgebrannt zu sein, und wenn Sie sich mehr Freiheit und Unabhängigkeit wünschen, damit Sie Ihr Leben nach Ihren eigenen Vorstellungen gestalten können, lohnt das Nachdenken über diese einfache Frage vielleicht: Wie lässt sich der Wunsch nach mehr Freiheit erfüllen? Die Antwort ist allerdings nicht leicht und setzt voraus, dass wir drei schwierige Themen ansprechen. Erstens, ob wir uns für die Sicherheit und Stabilität einer Angestelltentätigkeit entscheiden oder ob wir die Selbständigkeit wählen und uns unseren Job selbst erfinden. Zweitens, ob wir uns von einer Arbeitsethik verabschieden, die Arbeit als Plackerei versteht, und das Ziel beruflicher Erfüllung aufgeben und uns stattdessen Arbeit für ein erfüllendes Leben suchen. Drittens, wie sich unsere Karriere ziele mit dem Wunsch nach einer Familie vereinbaren lassen, wenn der Versuch, beides zu haben, nicht nur erhebliche emotionale Belastungen mit sich bringen kann, sondern uns in den wenigen Stunden, die wir zur freien Verfügung haben, permanent unter Druck setzt.
Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen werden wir drei Menschen begegnen: einem Anarchisten, einem Wall-Street-Analysten und einem Bienenzüchter. Mit ihrer Hilfe lernen wir die Tugend der Faulheit kennen, stellen die Ideologie des »Alles-Wollens« in Frage und
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