Wie Tau Auf Meiner Haut
anrufst. «
Sie fühlte sich wie in einem Eisschrank. Es war eine Kälte, die nichts mit der
kalten Wetterlage zu tun hatte. Sie brachte kein Wort über die Lippen, sie konnte
sich nicht bewegen, sie konnte lediglich den Telefonhörer mit bereits vor
Anstrengung weißen, blutleeren Gelenken umklammern.
»Kannst du denn nicht reden, mein Schatz? Ich möchte gern mit dir sprechen
und dieses schreckliche Missverständnis zwischen uns bereinigen. Du weißt doch,
ich würde nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Ich habe schon immer gespürt,
dass zwischen uns etwas ist. Wie stark jedoch diese Gefühle sind, habe ich erst
bemerkt, als du weggelaufen bist. Lass dir von mir helfen, mein Liebling. Ich
werde mich um alles kümmern. «
Was für ein guter Lügner er doch ist, dachte sie benebelt. Seine warme,
verführerische Stimme klang vertrauenswürdig und sympathisch. Wenn sie die
Morde nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dann hätte sie jedes seiner Worte
für bare Münze genommen.
»Grace« flüsterte er mit schmeichelnder Stimme. »Sag mir, wo wir uns treffen
können. Ich werde mit dir irgendwohin gehen, nur wir beide, wo du sicher bist.
Du musst dir überhaupt keine Sorgen mehr machen. «
Er log nicht. Sie hörte den lüsternen Unterton seiner Stimme. Entsetzt und
angeekelt hängte sie den Telefonhörer auf und ging wie vor den Kopf geschlagen
wieder zu ihrem Transporter zurück. Sie fühlte sich beschmutzt, als ob er sie
belästigt hätte.
Mein Gott, wie konnte er nur soviel Frechheit besitzen, wie konnte er nur
glauben, dass sie sich von ihm anfassen lassen würde! Sie ließ das Auto an und
fuhr vorsichtig und ohne Aufsehen zu erregen los. Ihr Herz aber schlug so heftig,
dass sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Er konnte nicht mit Sicherheit wissen,
ob sie ihn in jener Nacht wirklich gesehen hatte. Also hatte er sie von seiner
Unschuld überzeugen und sie zu einem Treffen überreden wollen. Sie hatte
niemals daran gezweifelt, dass er sie umbringen würde. Jetzt aber wusste sie,
dass er sie vorher vergewaltigen würde.
Federleichte Schneeflocken tanzten über die Windschutzscheibe. Erst waren es
nur vereinzelte Flocken, aber als sie an ihrem nächsten Haus angekommen war,
lag bereits eine Haube auf den Autodächern. Das Haus gehörte zu jenen
Häusern, in denen sie nur sehr ungern putzte. Frau Eriksson war immer zu Hause
und verfolgte jede von Graces Bewegungen. Sie schien zu befürchten, dass
Grace mit einem Fernseher unter dem Arm das Haus verlassen könnte.
Andererseits quatschte sie nicht, wie andere Leute es taten, und heute war Grace
für die Stille wirklich dankbar. Ihre Gedanken waren vollkommen durcheinander,
während sie wie betäubt Staub wischte und staubsaugte. Frau Eriksson ließ einen
Stapel Wäsche auf das Sofa fallen. »Meine Bridgerunde kommt heute Abend, und
ich muss einen Kuchen backen. Es wäre mir eine große Hilfe, wenn Sie die
Wäsche legen würden. Dann könnte ich schon mit dem Backen anfangen. «
Die Frau war unermüdlich, wenn es darum ging, dem Reinigungspersonal noch
zusätzlich unbezahlte Aufträge zu erteilen. Grace blickte auf ihre Uhr. »Tut mir
leid«, sagte sie. »Ich kann gerade noch die Böden machen. « Das war gelogen,
denn heute hatte sie einen leichten Tag. Sie musste erst um vier Uhr beim
nächsten Kunden sein. Aber der Bridgeclub war vermutlich auch eine Lüge
seitens Frau Eriksson, vielleicht war sogar das Kuchenbacken eine Finte.
»Sie sind aber ausgesprochen unwillig«, entgegnete die Frau scharf. »Mehrmals
schon sind Sie meinen Aufforderungen nicht nachgekommen, und ich überlege
mir, ob ich nicht die Firma wechsle. Wenn Sie Ihre Einstellung nicht ändern,
werde ich wohl mit Ihrem Vorgesetzten sprechen müssen. «
»Meine Chefin wird Ihnen sicherlich gerne unseren Wäscheservice
vorbeischicken. «
»Warum sollte ich Ihren Wäschedienst in Anspruch nehmen, wenn Sie sich
insgesamt als vollkommen unzureichend erwiesen haben? «
»Sie könnte Ihnen ja jemand anderes zuteilen, wenn Ihnen das lieber ist. « Ohne
aufzusehen stopfte Grace das Staubtuch in ihren Leinenbeutel, in dem sie all ihr
Putzzeug aufbewahrte. Dann steckte sie schwungvoll den Stecker des
Staubsaugers in die Dose und begann zu saugen. Der Lärm übertönte alles, was
Frau Eriksson unter Umständen noch gerne gesagt hätte. Grace schob die Düse
gewissenhaft über den Teppichboden. Die Reinigungsfirma würde vielleicht Frau
Eriksson jemand
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