Wie Tau im Wuestensand
kann man machen, was man will, der Wind wird es ohnehin
sofort zunichte machen.«
»Was du nicht sagst«, äußerte Holly
sarkastisch. »Meine Kopfhaut ist schon ganz wund von dem ewigen Bürsten.«
Ohne das geringste Mitgefühl ließ
die Stylistin die Bürste erneut durch Hollys Mähne fahren.
Ihr Opfer seufzte, blieb still
stehen und ertrug, was für ihren Beruf nun einmal notwendig war. Roger wollte
ihr Haar offen, es sollte sich mit dem Wind wie eine nächtliche Wolke bewegen.
Der Effekt wäre sinnlich und romantisch. Wenn man ihn denn jemals hinbekam ...
Die Luft vom Meer her war schwer und
salzig und wehte lauter Knoten in Hollys Haare. Die unkalkulierbare Brise war
auch dafür verantwortlich, daß sie unbequeme Stellungen so lange halten mußte,
bis die generatorbetriebenen Ventilatoren und der natürliche Wind sich nicht
mehr um die Vorherrschaft über ihren Kopf stritten.
Zumindest die Standfotos sind so gut
wie im Kasten, dachte
sie. Gott sei Dank!
Wenn sie sich noch eine weitere
Bemerkung von Jerry über Eiszapfen gefallen lassen müßte, dann würde sie ihm
die Kamera um die Ohren hauen.
Nachdem die Stylistin sie noch
einmal energisch gestriegelt hatte, machte sie sich aus dem Staub und überließ
Holly einmal mehr den Naturgewalten.
»Shannon, bist du da draußen
überhaupt wach?« fragte der Regisseur durch sein Megaphon.
Sie biß die Zähne zusammen und
winkte ihm zu.
»Wir haben es doch besprochen«,
brüllte der Regisseur. »Diese Szene muß vor Sinnlichkeit triefen. 'Begegnen Sie
dem Mann Ihrer Träume – in einem Kleid von Royce.'«
Erneut hob sie die Hand.
»Denk an das Thema«, kläffte der
Regisseur. »Es ist der Mann deiner Träume, der da aus dem Wasser kommt, und
nicht irgendein Grautier!«
»Ich habe das Skript gelesen«,
schrie Holly zurück.
»Dann spiele es, verdammt noch
eins!«
»Fangen wir doch jetzt endlich
wieder an!« keifte Holly zurück.
Die Crew blickte sich ratlos an.
Holly besaß den Ruf des ausgeglichensten Models überhaupt. Seit dieser Session
jedoch stimmte gar nichts mehr.
In den letzten fünf Tagen in Cabo
San Lucas hatte die Crew mehr von ihrem Temperament gesehen und gehört als in
den fünf Jahren davor.
»Los jetzt!« Der Regisseur schäumte.
Mechanisch folgte Holly den
Anweisungen des Skripts. Sie wartete, bis eine Welle sich am Strand brach. Dann
drehte sie sich um, beugte sich hinunter und ließ ihre Fingerspitzen durch das
Wasser fahren, das schaumig ihre Füße umspülte.
Mit einer leichten Berührung ihrer
Zunge schmeckte sie das Salz auf ihren Fingerspitzen. Dann streckte sie sich
langsam und hob ihre Haare in den Wind.
Sie sah sehr traurig und einsam aus,
wie eine Frau, die vergeblich wartete.
Diesen Ausdruck hinzubekommen, war
für Holly ein leichtes. Seit Linc sie vor fünf Tagen auf dem Flughafen sogar
ohne Kuß verabschiedet hatte, sehnte sie sich nach ihm.
Dreimal hatte sie ihn angerufen.
Jedesmal war die Haushälterin am
Apparat.
Und Linc hatte nicht zurückgerufen.
»Make-up!« brüllte der Regisseur.
Irritiert riß Holly ihren Kopf hoch
und ließ die Arme fallen. Ungeduldig wartete sie auf den Visagisten, damit er
jenen Makel behob, den der Regisseur erspäht hatte.
Roger stand weiter draußen im
Wasser, dicht hinter der Linie, wo die Wellen donnernd in Schaum zerstoben.
Fluchend tauchte er unter den Wellen hindurch und watete auf sie zu. In seinem
Blick rangen sich sowohl Sorge als auch Sympathie miteinander. Er hatte mit
genügend empfindlichen Frauen zusammengearbeitet, um zu wissen, daß die normalerweise
nicht kleinzukriegende Holly kurz vor einer Explosion stand.
»Unter den Augen«, wies der
Regisseur durch das Megaphon an. »Und wenn du schon dabei bist, etwas Gloss
auf die Lippen.«
Roger stand dicht vor ihr und
betrachtete sie kritisch: »Du solltest wirklich versuchen, nachts mehr Schlaf
zu erwischen!«
»Ich versuche es ja.«
»Bei dem Versuch darf es aber nicht
bleiben«, tadelte er.
Holly wollte ihm gerade
widersprechen, der Visagist jedoch brachte sie zum Schweigen, indem er sie
gebieterisch mit Gloss traktierte.
Die Stylistin kam wieder angerannt.
Sie nutzte jede Gelegenheit, um Hollys Haare in eine schwebende Wolke zu verwandeln.
»Ich schlafe prima«, sagte Holly,
sowie sie ihre Lippen wieder bewegen konnte.
»Unsinn«, entgegnete Roger. »Gestern
bist du die ganze Nacht auf deinem Balkon auf und ab gegangen.«
Holly
preßte die Lippen zusammen.
Das konnte
sie nicht leugnen. Seit Linc sie ohne
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