Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
Speisesaal um. Sie war noch nicht da. Unter den gegebenen Umständen konnte ich meinen Triumph nicht voll auskosten, aber dieses eine Mal hatte ich sie geschlagen!
Eine graziöse Asiatin brachte mich zu einem Tisch an der hinteren Wand. Im Raum war es bullig warm, und ich überlegte, ob ich wirklich meinen Mantel anbehalten sollte. Doch an diesem Punkt spielte es wohl sowieso keine Rolle mehr. Ich zog ihn aus und glättete meinen schwarzen Stretchpullover. Die Kellnerin brachte mir ein Glas Wasser ohne Eis, und ich stürzte es herunter.
Die Türglocken ertönten. Da war sie. Sie kam auf mich zu, schlank und schick. Glücklich, mich zu sehen.
Ich lächelte, so aufrichtig ich konnte, und erhob mich.
Drei Meter vor mir blieb sie abrupt stehen. Ihr Unterkiefer klappte herunter.
»Hi, Mom.«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte sie. »Soll das ein Witz sein?«
Ich verschränkte die Hände über dem Bauch, in dem vergeblichen Versuch, den schockierenden Beweis zu verbergen. »Wie möchtest du denn gerne genannt werden?« Meine Stimme klang fröhlich, ein bisschen zittrig. »Grandma? Oma?«
Sie rührte sich weder noch antwortete sie. Julia Barnum, vom Donner gerührt.
In dem Versuch, sie aufzurütteln, lachte ich. »Mama?«
»Wer ist der Vater?« Ihre Stimme klang tief und angsteinflößend, wie damals, als ich mit zehn ohne Erlaubnis den Saphirring ihrer Mutter in die Schule angezogen und verloren hatte.
»Könnten wir uns bitte setzen?«
Sie kam zu mir, knallte ihre Vierhundertdollarhandtasche auf den Boden unter den Tisch, riss einen Stuhl zurück und setzte sich. Schmerzliche, blutige Rachsucht brannte in ihren Augen.
»Wer ist es, Grace?«, fragte sie.
»Du kennst ihn nicht.«
»Wann werde ich ihn kennenlernen?«
»Ich weiß es nicht.«
Sie blähte die Nasenflügel. Unsere Kellnerin näherte sich, warf einen Blick auf Julia und zog sich zurück.
»Und warum nicht?«
»Er … Er hat im Moment nichts damit zu tun.«
»Hast du an eine Abtreibung gedacht?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wann ist der Termin?«
»Um den achten Juni.«
Sie sah mich lange an. Sehr aufmerksam. Dann zog sie ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. Und dann lachte sie! »Na, ich glaube, ich sollte mich darüber freuen. Ich werde Oma!«
»O Mom!« Die Schleusen öffneten sich. Ich bedeckte das Gesicht mit den Händen. Julia zog einen Stuhl neben mich, nahm mich in die Arme und redete mir tröstend zu, während ich die Schulter ihres maßgeschneiderten Blazers durchnässte.
»Alles wird gut, mein Schatz«, sagte sie beruhigend, als meine Tränen allmählich versiegten. »Alles wird gut. Aber ich möchte, dass du mir sagst, wer der Vater ist, und mir erzählst, wie das passieren konnte.«
Es fiel mir schwer, nicht die Augen zu verdrehen und ihr nur die physischen Umstände zu erzählen, aus reiner Aufsässigkeit.
»Okay«, sagte ich stattdessen. »Sein Name ist Tyler Wilkie. Er ist Musiker und hat einen Song in den Top Ten. Vielleicht hast du ihn schon mal im Radio gehört.«
Sie starrte mich an. »Natürlich habe ich ihn gehört, glaubst du vielleicht, ich lebe in der Steinzeit? Ich habe seine ganze CD auf meinem iPod!«
Sie reichte mir eine Papierserviette, und ich putzte mir die Nase. »Das ist ja interessant«, sagte sie, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Sie klang wie ein böser Geist, der plant, die Welt zu erobern. »Dafür wird er zahlen. Eine Menge Geld, als Alimente für sein Kind.«
»Mom! Sieh mich an. Das ist nicht deine Sache. Wenn du irgendetwas unternimmst …«
»Keine Sorge, ich tue nichts ohne deine Zustimmung. Wie hast du ihn denn bloß kennengelernt?«
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte der letzten zweieinhalb Jahre. Davon, wie mein Leben von diesem süßen, schönen, erstaunlichen, talentierten, verantwortungslosen Jungen auf den Kopf gestellt worden war. Die Sache mit Roberta ersparte ich ihr. Julia war ohnehin momentan kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
»Klingt so, als würde dir etwas an ihm liegen. Vielleicht ist er kein absoluter Mistkerl.«
»Nein, ist er nicht!« Meine Stimme versagte. »Ich … Ich habe gedacht, er wäre mein bester Freund.«
Julia gab mir eine frische Serviette. »Aber warum ist er dann nicht an deiner Seite? Weiß er Bescheid?«
»Er ist auf Tour. Ich habe ihn seit fast sechs Monaten nicht mehr gesehen.«
»Aber du hast es ihm erzählt?«
»Ja.«
»Und, was hat er gesagt?«
»Das ist meine Sache.«
»Was hat er gesagt, Grace?«
»Er
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