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Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Titel: Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelle Sumners
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Nathan aßen mit uns zusammen. Rebecca, erzählte Jean, trainiere für einen Marathon und sei zu einem Lauf aufgebrochen.
    »Wir haben uns sehr gefreut, dass du uns besucht hast, Grace. Stimmt’s Schatz?«, fragte Jean ihren Mann.
    »Ja, sicher«, antwortete Nathan, gehorsam von seinem Essen aufblickend.
    »Kommst du uns mal wieder besuchen?«, fragte sie.
    Ich hätte nicht gewusst, wie oder warum. Schon nahm ich wieder Zuflucht zu einer Halbwahrheit. »Das wäre schön.«
    »Du bringst sie doch noch einmal mit, oder, Ty?«
    »Ja, Mama.«
    Ich ging hinauf, um meine Taschen zu holen, und warf einen letzten Blick auf Tys Zimmer. Als ich wieder hinunterkam, klimperte er auf dem Klavier herum.
    »Hey«, sagte er. »Hör dir das mal an.« Er spielte eine hübsche Melodie und summte dazu.
    »Das gefällt mir.«
    »Einen Text habe ich noch nicht. Wovon sollte es handeln, was meinst du?«
    »Na ja, von Liebe, ist doch klar.« Mein Blick wanderte hinauf zu dem Hirschkopf. »Oder von ausgestopften Tieren.«
    Er lachte sein echtes, herzliches Lachen. »Komm, ich möchte dir noch etwas zeigen, bevor wir fahren.«
    Wieder folgte ich ihm in den Wald. Es war ein verhangener, kühler Novembertag, und die Bäume hoben sich wie chinesische Schriftzeichen vor dem Reispapierhimmel ab. Die Blätter auf dem Boden waren größtenteils braun geworden, nur hier und da entdeckte ich ein geflecktes, leuchtendes Kanariengelb oder Weinrot. Wir passierten die Überreste des verbrannten Baumes. In nüchternem Zustand erschien er mir schon viel weniger unheilvoll.
    Wir gingen noch mindestens eine Viertelstunde lang, bis wir zu einem Drahtzaun gelangten. Ty kletterte darüber. Ich blieb stehen und sah ihn an.
    »Komm schon.« Er zeigte auf eine Stelle, in die ich mit dem Fuß treten konnte. »Stütz dich hier ab.«
    Ich setzte meinen Fuß hinein und schwang das andere Bein über den Zaun. Er packte mich an den Hüften und zog mich herüber.
    »Ist hier Betreten verboten?«, fragte ich.
    »Ja, strengstens.«
    Wir kletterten einen steilen Hügel hinauf, bis meine Beine zitterten. Schon unterwegs hörte ich Wasser rauschen. Wir erreichten den Gipfel und standen auf einem Felsen, von dem aus man einen malerischen, breiten Bach überblickte. Ty half mir die steilen Stufen hinunter, die in den Stein gehauen waren. Wir gingen stromaufwärts, umrundeten eine Biegung und gelangten endlich an die Stelle, wo das Wasser gewaltig rauschte.
    Noch nie hatte ich einen echten Wasserfall gesehen. Wahrscheinlich war er gar nicht besonders bedeutend, nur wenige Stockwerke hoch und vielleicht drei Meter breit.
    »Ich würde gerne in das Wasser fassen«, sagte ich.
    Ich kletterte auf einen großen Felsbrocken, um so nahe wie möglich an die Wassergardine zu gelangen. Ty stand unterhalb von mir und hielt mich fest, während ich die Hand ausstreckte. Wild und heftig stürzte das Wasser herunter. Es prasselte und brannte auf der Haut und schlug meine Finger weg.
    »Autsch!«, lachte ich, als es mich erwischte, und blickte zu ihm hinunter. Ein feiner Nebel hüllte uns ein. »Deine Haare locken sich wie verrückt.«
    Er lächelte glücklich zu mir empor, mit diesem Leuchten in den Augen, das ich so gut kannte. Und da geschah etwas. Diese hartnäckige Blockade in mir gab endlich nach und machte den Weg frei.
    Ich sah es mit vollkommener Klarheit: Du bist mein Herz.
    Endlich begriff ich.
    Seit jeher, jetzt und für immer war er alles . Niemand war auch nur annähernd mit ihm vergleichbar.
    O Gott. Mein Gott. So fühlte sich also Liebe an. So.
    Ich hatte schreckliche Angst.
    Er sah es, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er sagte: »Alles ist gut, Süße, alles in bester Ordnung.« Er half mir herunter, hielt mich lange Zeit in den Armen und gab beruhigende Laute von sich, bis ich aufhörte zu weinen.
    »Ich möchte zurück«, sagte ich endlich.
    Wir gingen langsam. Es dauerte eine Weile, bis wir die Steilwand erklommen hatten. Die ganze Zeit hielt er einen Arm um mich gelegt, doch nachdem wir den Drahtzaun überwunden hatten, befreite ich mich.
    Der Geruch von Wald. Ein großer Käfer, der direkt vor mir über den Boden huschte. Tys besorgtes Gesicht, wenn er sich alle paar Meter nach mir umsah. Sein Rücken, fest, stark, in rotschwarz kariertem Flanell, der mich durch die Bäume führte.
    Bei dem verbrannten Baum blieb ich stehen. »Warte.«
    Er drehte sich um, kam zurück zu mir, und ich packte seinen Kopf und zog ihn zu mir herunter. Ich küsste ihn mit geöffnetem

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