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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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solch klassischen Texten wie Max Webers
Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
von 1905 und Richard Henry Tawneys
Religion and the Rise of Capitalism
von 1926 (deutsch:
Religion und Frühkapitalismus)
ausführlich und erhellend beleuchtet worden.
              ** Marx sprach niemals vom »Kapitalismus«. Stattdessen benutzte er den Begriff »Bourgeoisie«, um das klassenbasierte Wesen des kapitalistischen Systems zu betonen. Ansonsten aber kann man den Ausdruck »Bourgeoisie« ohne Bedeutungsverlust durch »Kapitalismus« ersetzen. Wenn man pedantisch sein will, ist der Kapitalismus ein System, in dem das Eigentum an Kapital in den Händen einer einzelnen Klasse – der Bourgeoisie – konzentriert ist und von dieser zur Erzeugung von Mehrwert eingesetzt wird.

3    ÜBER DEN NUTZEN VON REICHTUM
    Wer ist reich? Der nimmer begehrt!
Wer arm? Nur der Geizhals!
    A USONIUS
    Bevor das faustische Projekt in die Gänge kam, wurde das Nachdenken über Reichtum von der Vorstellung von Grenzen geprägt. Der genaue Verlauf dieser Grenzen war wohl umstritten, ihre Existenz aber über jeden Zweifel erhaben. Darauf konnten sich nicht nur Virgil, Machiavelli und Franziskus von Assisi ungeachtet all ihrer sonstigen Differenzen einigen. Wie wir sehen werden, teilten auch Schriftsteller und Philosophen aus so fernen Ländern wie China und Indien diese Auffassung.
    Aristoteles ist die klassische Quelle für das vormoderne ökonomische Denken, und das aus zwei Gründen. Erstens versuchte er im Gegensatz zu seinem radikaleren Vorgänger Platon nicht, ein soziales Konzept mithilfe reiner Vernunft heraufzubeschwören. Sein Ziel war es schlicht, die Meinungen seiner gelehrten Zeitgenossen zusammenzutragen und sie zu einem System zu verschmelzen. Wenn Joseph Schumpeter den ökonomischen Schriften des Aristoteles »einen ehrbaren, prosaischen, irgendwie mittelmäßigen und recht schwülstigen ›gesunden Menschenverstand‹« unterstellt, dann ist das zwar eine Karikatur, aber auch keine völlige Verzerrung.[ 1 ] Zweitens, und damit verbunden, war Aristoteles der bestimmende Einflussgeber für die gesamte ökonomische Theoriebildung vom 12. bis zum 17. Jahrhundert. Er erstellte einen Ideenrahmen, der, mit verschiedenen Modifikationen, überdauern sollte, bis er durch das gleichermaßen imposante Ideengebäude Adam Smiths’ ersetzt wurde.
    »Aristoteles’ ökonomische Schriften« ist natürlich ein Anachronismus. Aristoteles kannte nichts in der Art der modernen Volkswirtschaftslehre.Er kannte sehr wohl
oikonomike,
von dem sich unsere heutigen Begriffe »Ökonomie« und »Ökonomik« ableiten, aber dabei handelte es sich um die Kunst der Haushaltsführung, die unter anderem Dinge wie den Weinbau und die Bestrafung von Sklaven umfasste. Was wir von Aristoteles’ ökonomischem Denken wissen, ist zwei Abschnitten seiner
Politik
und der
Nikomachischen Ethik
entnommen, die sich mit dem Erwerbs- respektive dem Tauschwesen befassen. Die Diskussionen sind vorrangig auf das Ethische und das Politische ausgerichtet; Handel und Gewerbe werden als ein Aspekt des gemeinschaftlichen Lebens betrachtet und wie alle anderen Aspekte der Gerechtigkeit und ihren Schwestertugenden untergeordnet. Für Aristoteles gab es keine Ökonomik, keine Volkswirtschaftslehre, weil es keine Ökonomie, keine Volkswirtschaft gab – soll heißen keine abgegrenzte gesellschaftliche Sphäre mit autonomen Handlungsgesetzen.
    Dass Aristoteles’ Werk »Ökonomie« als Kategorie nicht kennt, ist kaum überraschend. Im 4. Jahrhundert vor Christus war Athen nach wie vor eine größtenteils agrarische Gesellschaft. Die grundlegen de Produktionseinheit war der Haushalt, der aus dem Haushaltsvorstand, seiner Familie und den Abhängigen, Sklaven sowie gelegentlichen Aushilfen bestand. Die meisten Haushalte waren auf die Selbstversorgung ausgerichtet; für den Tauschhandel, der sich auf bestimmte Erzeugnisse beschränkte, wurde nur im kleinen Maßstab produziert. Geld war allgemein verbreitet, aber Kapital oder Kredit gab es nur in sehr geringem Umfang. Wer Münzen besaß, vergrub diese einfach im Boden. In einer solchen Gesellschaft wurden Vorgänge wie Tauschen und Leihen als persönliche Handlungen begriffen, als freundschaftliches oder unfreundschaftliches Verhalten. Das spezifisch kommerzielle Motiv war zwar nicht unbekannt, galt aber gemeinhin als unerwünschte Abweichung, nicht als normaler Bestandteil sozialer Beziehungen. Die ethische Perspektive war

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