Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
ein.
*
Constanzes Bewusstsein tauchte an die Oberfläche, wühlte sich durch die Fetzen des Schlafs wie durch dichten Nebel. Bilder der vergangenen Nacht spulten sich ab und brachten den Schrecken zurück. Warum aber fühlte sie sich dennoch so sicher?
Verwirrt öffnete sie die Augen. Einen Moment blinzelte sie orientierungslos in die trübe Dämmerung, dann registrierte sie eine warme, feste Fläche unter ihrem Gesicht. Ihre Hand ruhte auf nackter Haut und hob sich leicht mit den ruhigen Atembewegungen eines maskulinen Brustkorbs.
Silas schlief bei ihr. Dicht an ihn gekuschelt lag sie neben ihm unter der dünnen Decke.
Nackt.
Seltsamerweise blieb der Schock über diese Entdeckung aus. Etwas ganz anderes stellte sich ein. Geborgenheit.
Constanze war überrascht, wie richtig es sich anfühlte, mit ihm das Bett zu teilen. Fast so, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan.
Sie spürte, wie ihr aufgewühltes Inneres endlich Frieden fand und sie sich zum ersten Mal erlaubte, lange unterdrückten Träumen nachzugeben. Sie liebte ihn unverändert. Bis in jede Zelle. In seiner Nähe fühlte sie sich freier, wohler, lebendiger als je zuvor in ihrem Leben. Obwohl Silas nüchtern betrachtet noch um einiges gefährlicher war als ihr Exmann, empfand Constanze nicht einmal einen Anflug jener Furcht, die in Michaels Gegenwart ihr ständiger Begleiter gewesen war.
Das lag nicht daran, dass mittlerweile einige Jahre vergangen waren, das lag allein an Silas. An seinem Charakter, an seiner Ausstrahlung. Daran, dass er immer dann wie selbstverständlich zur Stelle gewesen war, wenn sie am dringendsten Hilfe benötigt hatte.
Genau wie heute Nacht. Er war einfach aufgetaucht, hatte sie ohne großes Federlesen aus ihrem Haus geholt und zu sich mitgenommen. Trotzdem machte er keine Anstalten, sich ihr aufzudrängen. Und das, obwohl er sie offenbar unverändert wollte. Seine Präsenz in diesem Bett war nur ein weiterer Hinweis darauf, dass er geduldig wartete, bis sie aus eigenem Antrieb zu ihm kam.
Ihre Finger bewegten sich über Silas’ Haut. Der Gedanke meldete sich von allein und ließ sich nicht mehr verscheuchen. Was wäre, wenn? Was wäre, wenn sie wirklich zu ihm kam … Jetzt. Hier. Ohne noch lange darüber nachzudenken …
In einem Anflug von Übermut neigte sie den Kopf und küsste seine Schulter. Ihr Puls raste, als die Handlung in ihrem Gehirn einschlug. War sie völlig übergeschnappt?
Die Antwort kam klar und deutlich. Nein, sie war nicht übergeschnappt – zumindest nicht im Kopf. Schon seit dem Vorfall in der Küche hatte ihr Körper sich danach gesehnt, zu beenden, was dort seinen Anfang genommen hatte. Sie begehrte Silas, sehnte sich danach, ihn zu spüren. Es reichte nicht, nur davon zu träumen. Es reichte einfach nicht, egal wer er war und was er getan hatte.
Wenn sie ehrlich war, wollte sie real erleben, wie es war, mit ihm zu schlafen. Trotz ihrer Ängste, trotz ihrer Vergangenheit. Und trotz seiner Vergangenheit.
Constanze schloss die Augen und atmete tief durch.
Gut. Er lag direkt vor ihr. Sie konnte entscheiden.
Ehe ihr der Mut sank, beugte sie sich über ihn. Vorsichtig, beinahe schüchtern tupfte sie ihre Lippen gegen seinen Hals, dann ließ sie ihre Hand seine Brust hinaufwandern.
Silas war eindeutig hellwach, das erkannte sie an der Geschwindigkeit, mit der sich sein Herzschlag unter ihren Lippen beschleunigte. Lächelnd hielt sie inne. Es war schon denkwürdig, dass es ihr gelang, ihn mehr in Aufruhr zu versetzen als ein Schusswechsel mit gedungenen Mördern …
Diese Entdeckung gab Constanze neues Selbstvertrauen. Sie hauchte eine Spur von Küssen bis zu seinem Ohr und knabberte daran.
*
Silas konnte beim besten Willen nicht länger stillhalten. Leise seufzend drehte er den Arm und berührte ihren Nacken. Nur ihren Nacken, was ihm enorme Selbstbeherrschung abverlangte. Am liebsten hätte er Constanze unverzüglich gezeigt, welche Fantasien ihm seit Langem im Kopf herumspukten. Aber das durfte er nicht. Noch nicht. Er musste die Sache behutsam angehen. Auf keinen Fall würde er etwas tun, was das aufkeimende Verlangen in ihr zerstören könnte. Sich wie ein Besessener auf sie zu stürzen war nicht unbedingt der richtige Auftakt. Spielerisch ließ er seine Fingerspitzen ihre Wirbelsäule hinabgleiten.
Er umfasste ihr Kinn und hob es an, bis er ihrem Blick begegnete. Das sinnliche Leuchten in ihren Augen traf ihn wie ein Stromschlag. Damit hatte er nicht
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