Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
innezuhalten, trug er sie ans Ufer.
Constanze schlotterte. Teils vor Kälte, teils vor Angst um Eliah. »Ja«, krächzte sie. »Aber Eliah! Um Himmels willen, sie haben Eliah.«
»Ich weiß.« Silas setzte sie zwar ab, drückte sie aber gleich wieder an sich. »Wir werden ihn zurückholen, das verspreche ich dir. Aber zuerst müssen wir von hier verschwinden und aus den nassen Sachen raus.«
Sie huschten einige Meter am Ufer entlang, bis sie vor einem abseits der Straße stehenden Wohnmobil ankamen.
»Was ist mit deinem zweiten BMW?« Nein, der konnte noch nicht repariert sein. Wann hätte Silas das tun sollen?
Er schob sie in den warmen Innenraum und verriegelte rasch die Tür hinter sich. »Geschichte. Genau wie der erste. Er liegt im Rhein.« Silas schnitt eine Grimasse, als er Constanzes bestürztes Gesicht sah. »Hat mir auch wehgetan, ging aber nicht anders. Der Wagen ist mittlerweile zu bekannt.« Er schaltete den Generator ein, dann griff er nach ihr. »Zieh alles aus. Auch die Unterwäsche.« Sofort nestelte er an der Knopfleiste ihrer Bluse.
Constanze ließ sich bereitwillig von ihm helfen, zumal er wesentlich geschickter vorging als sie. Mühsam schälte sie sich aus den triefenden Sachen. Sie fror mittlerweile so stark, dass ihre Zähne hart aufeinanderklapperten.
»Was können wir wegen Eliah unternehmen?«, fragte sie abgehackt, sobald das Zittern ihres Unterkiefers ein wenig nachließ. »Er ist bestimmt völlig verängstigt.« Schon wieder brannten Tränen in ihren Augen.
Silas blickte auf seine Taucheruhr. »Das Schiff wird frühestens in einer Stunde am Steg ankommen, je nachdem, wie lange sie im Wasser nach dir suchen. Ich werde dort sein, wenn sie anlegen, dann kann ich nach ihm sehen.« Noch im Sprechen wickelte er sie in ein flauschiges Badetuch und begann, ihre Haut trocken zu reiben. »Leider kann ich ihn nicht mitnehmen. Sein plötzliches Verschwinden würde Fragen aufwerfen, die die ganze Aktion zunichtemachen. Wir müssen ihn auf anderem Weg zurückholen. Noch einmal können wir euren Tod nicht glaubhaft vortäuschen.«
Obwohl es Constanze fast das Herz zerriss, sah sie doch ein, dass er recht hatte. »Ich würde so gern mit ihm reden«, flüsterte sie. »Ich würde ihm gern sagen, dass wir in seiner Nähe sind. Es ist so furchtbar, ihn das allein durchstehen zu lassen.« Heiße Tränen rannen in Strömen über ihre Wangen.
Silas ersetzte das feuchte Tuch durch eine dicke Wolldecke und packte sie fürsorglich darin ein, ehe er die Arme um sie schlang. »Ich werde versuchen, ihm ein Zeichen zu geben. Er hat sich bisher tapfer geschlagen, er ist ein großartiger Junge«, machte er ihr Mut. »Es wird das alles wahrscheinlich leichter meistern als du und ich annehmen.«
*
Constanze nickte zwar, konnte aber trotzdem nicht aufhören zu weinen. Silas wunderte das überhaupt nicht. In den letzten Wochen hatte sie Nerven aus Drahtseilen bewiesen, aber selbst die rissen irgendwann …
Er hielt sie so lange im Arm, bis es Zeit war, die Anlegestelle aufzusuchen. Damit Constanze nicht die ganze Zeit in der Decke herumsitzen musste, reichte er ihr die Kleidung, die sie ihm vor ein paar Tagen mitgegeben hatte. Während sie sich anzog, wechselte auch er seine Sachen. Er brauchte nicht lange, um sich wieder in einen ganz speziellen Klempner zu verwandeln – dieses Mal jedoch ohne Overall und Werkzeugkiste.
Constanze drückte ihm schweigend den krausen Oberlippenbart unter der Nase fest. Eliah würde Silas in dieser Verkleidung auf jeden Fall wiedererkennen – auch ohne das ganze Zubehör.
Er blickte prüfend in den Spiegel. Der Bart saß perfekt. Er konnte jetzt nur beten, dass der Junge ihn nicht durch eine offensichtliche Reaktion verriet. Aber das Risiko musste er eingehen, schon Constanze zuliebe. Sie wirkte unnatürlich ruhig – selbst für die anstrengenden Stunden, die hinter ihr lagen. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu begreifen, wie kurz sie vor dem Zusammenbruch stand. Es würde ihr erheblich besser gehen, wenn sie wusste, dass mit Eliah alles in Ordnung war.
Fünfzehn Minuten später bildete Silas einen Teil der Menschenmenge, die am Bootssteg der Ankunft des Unglücksschiffs entgegenfieberte. Polizei und Notarzt hatten die Anlegestelle abgesperrt, damit die Passagiere unbehelligt aussteigen konnten.
Eliah war einer der Ersten, die von Bord gingen. In mehrere Decken gewickelt schlurfte er über die Metallstiege. Er schien unversehrt, wirkte nur ein wenig
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