Wiederkehr des Bosen
Andy, als sei das der Name seiner Lieblingseiscreme. »Sie glaubt also, dass ich mit jemandem gehe - hat sie das wirklich gesagt? Ich werd irre. Wie hat sie das gesagt - ich meine, du weißt schon, so, als ob es ihr wirklich was ausmacht?«
»Lucinda?« Alex und Cam starrten den Jungen geschockt an. Heilige Madonna, er steht auf Luce, dachte Alex. Du hast es erfasst, d-mailte Cam zurück. Dann sahen sie sich an und brachen in Gelächter aus. »Ja, okay.« Andy lief rot an und musste dann auch lachen. »Hey, ich hab sie immer gemocht«, gab er zu. »Und wenn ich sie von der Schule nach Hause mitnehme, dann ... Jedenfalls sieht sie in letzter Zeit echt super aus ...«
»Kein Einspruch, Euer Ehren, von mir jedenfalls nicht«, sagte Alex und befreite damit den verliebten Jüngling aus seiner Verlegenheit. Sie brachte das Gespräch auf Evan.
Andy wusste natürlich auch, was längst allgemein bekannt war - dass sich Evan mit der Klapperschlangenbande eingelassen hatte. Aber Andy glaubte nicht, dass Evan den bewussten Drohbrief selbst geschrieben hatte, auch dann nicht, wenn es stimmte, dass sich Adamson wirklich über Evans miserable Karateleistung lustig gemacht hatte. »Er ist jedenfalls nicht mehr der Evan, den du kennst, Alex«, warnte Andy. »Er hat sich ziemlich verändert.« Der Weg zu Evans Haus führte zunächst über eine verschneite zweispurige Straße, die ein Schneepflug befahrbar gemacht hatte, und dann über einen engen, mit tiefen Schlaglöchern übersäten Feldweg. Ungefähr alle zwei Meilen tauchte ein Briefkasten am Wegrand auf. Der vierte Briefkasten war alt und verrostet; der Name FRETTS war gerade noch lesbar und ein paar klägliche Farbreste ließen vermuten, dass der Kasten einmal rotweiß-blau bemalt gewesen war.
»Da wohnt er«, sagte Alex. Sie lachte Cam an. Allein Evans Name auf dem Briefkasten stimmte sie froh, trotz all der schlechten Nachrichten über ihren Freund. Andy wartete im Auto, und Cam stapfte durch das dichte Schneetreiben hinter ihrer Schwester her, hinüber zum Haus. Autoreifen hatten ihre Spuren tief in den matschigen, jetzt aber frostigen Boden gegraben. Cam stieg vorsichtig über ein großes Reifenstück hinweg, das aus der Erde ragte, danach über eine rostige Radkappe. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Wie konnte ihre Schwester, die so sehr wie sie selbst aussah, deren innerste Gedanken und Gefühle sie genau kannte, so total glücklich sein - nur weil sie wieder in dieses entsetzliche Crow Creek und zu diesem Anwesen ihres Freundes zurückgekehrt war?
Nichts, aber auch gar nichts erinnerte Cam hier an Marble B a y - weder der Briefkasten, von dem die Farbe abblätterte, noch die winzige, einstöckige Hütte, die jetzt am Ende des Weges auftauchte. Das Haus schien sich unter dem Wind wegducken zu wollen; die Holzwände hatten sich längst aschgrau verfärbt. Cam riss ungläubig die Augen auf, als sie eine Frau erblickte, die in diesem Schneesturm die Wäsche auf eine zwischen zwei Verandapfosten gespannte Leine hängte.
»Mrs Fretts?«, rief ihre Schwester halblaut. Offensichtlich freute sie sich wirklich, Evans Mutter wiederzusehen. Beim Näherkommen geriet Cam in eine Alkoholfahne, die so stark war, dass ihr fast schwindlig wurde. Die Frau hatte eine alte braune Armeedecke um den Körper gewickelt, darunter wurde der Saum eines Morgenmantels mit Blumenmuster sichtbar. Auf dem Kopf trug sie eine Pfadfindermütze aus Pelz, deren Ohrenschützer lose herunterhingen, und die Füße steckten in alten Gummistiefeln, deren Schäfte aufgerissen waren. »Mrs Fretts!«, rief Alex ein wenig lauter. Evans Mutter drehte sich um und starrte über die Köpfe der Mädchen in den Himmel, als ob die Stimme von irgendwo aus den Wolken gekommen wäre. »Ist sie total blind?«, flüsterte Cam. »Eher total besoffen«, gab Alex zurück. »Hey, Mrs Fretts! Erinnern Sie sich noch an mich? Ich bin's, Alex! Alex Fielding, Saras Tochter!«
»Sie ist nicht mehr da!«, brüllte die Frau in den Himmel.
»Hau ab! Lass mich in Ruhe! Mach, dass du wegkommst! Brüll mich nicht an!«
»Vielleicht sollten wir wirklich abhauen«, drängte Cam ihre Schwester. »Wir können ja morgen wiederkommen, wenn sie nicht so viel...«
Alex brachte sie mit einer ungeduldigen Geste zum Schweigen. »Ist Evan zu Hause?«, fragte sie laut. Dann hob sie die Hände wie ein Sprachrohr vor den Mund. »Ich will ihn besuchen!«, brüllte sie.
Mrs Fretts' Blick kehrte langsam vom Himmel auf die Erde zurück. Ganz
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