Wiederkehr des Bosen
Augen waren jetzt weit geöffnet - sie waren durchdringend und grau, ein leuchtendes Metallgrau mit einer tiefschwarzen Linie rund um die Iris. Leilas Augen waren genau wie Cams und wie Alex' Augen. Und wie Ileanas. Cam starrte die königliche Gestalt in den wabernden Nebelschwaden an. Allmählich konnte sie auch weitere Einzelheiten ausmachen: eisgraues Haar, ein ausdrucksvolles, noch immer schönes Gesicht, in das sich die Falten des Alters gegraben hatten. Und unter den dunklen, düsteren Brauen diese erschreckenden Augen, so kalt, und doch so vertraut. »Eure Söhne?«, fragte Alex.
»Aron war mein Liebling«, sagte die Frau, »mein Engel.«
»Aron? Ihr kanntet Aron?« Cams Augen brannten, vermutlich deshalb, weil sie so angestrengt in den Nebel starrte. Oder weinte sie ?
»Er war mein Sohn!«, donnerte die Stimme, die plötzlich brach, als sie leise fortfuhr: »Aron ... ihn liebte ich besonders. Thantos, mein Ältester, war zu sehr wie ich selbst... ehrgeizig, unbarmherzig, rachsüchtig. Fredo - oh, woher stammte mein armer Fredo? Mein jüngstes und letztes Kind. Vielleicht war ich schon zu alt, um gesunde Kinder zu gebären. Bei ihm war nichts richtig, er konnte nie so klug werden wie die beiden anderen.« Alex konnte ihren Blick nicht von der alten Frau abwenden.
»Wo sind meine Enkel ?«, schrie sie jetzt plötzlich auf. »Wo sind Arons kleine Mädchen? Fredo hatte zwei Söhne, Dummköpfe und Dämonen, wie er selbst...«
»Aber wir sind Arons Töchter!«, rief Alex. Sie war froh, Cams Hand zu spüren.
»Die Frauen in unserer Familie«, fuhr die Frau fort, ohne auf Alex' Einwurf zu achten, »sie waren die wahren Erben der edlen Dynastie der DuBaers. Meine Enkelinnen Artemis, Apolla, die stolze Ileana ...« Cam warf Alex einen fragenden Blick zu. Ileana? Alex nickte, genauso erstaunt wie Cam. Nein, wir haben uns nicht verhört.
»Und Miranda, meine geliebte Schwiegertochter, die einst die Wunderbarste und Mächtigste von allen war.«
»Miranda?«, stieß Cam hervor. »Sie war unsere Mutter!«
»Ihr kanntet sie?«, fragte Alex. »Ist sie noch ...«
»... am Leben?«, rief Cam hoffnungsvoll.
J etzt erst schien die alte Frau die beiden Mädchen zu bemerken. Ihr strenges Gesicht wurde weich und ihre grauen Augen verloren ihre metallische Härte. »Apolla und Artemis«, sagte sie, »meine lieben Enkelinnen!« Sie seufzte, und plötzlich lag ein Duft von Apfelblüten, Herbstlaub und kräftigem Erdgeruch in der Luft.
»Was ist mit unserer Mutter passiert? Warum hat sie uns verlassen?«, fragte Alex, die sich in dem eigenartigen Duftgemisch plötzlich leicht benommen fühlte.
»Weiß Ileana, wo unsere Mutter ist?« Auch Cam spürte die Wirkung des Dufts, der sie umgab.
»Ist Ileana ... unsere Schwester?«, hauchte Alex müde.
Der Duft schien stärker zu werden, hüllte sie ein. Alex' Augen fielen zu, und auch Cam versank in einen Traum.
Der Schlaf schien nur Sekunden zu dauern - oder dauerte er doch viel, viel länger? -, plötzlich wurden sie von Gelächter und einer spöttischen Stimme aus dem Dämmerzustand gerissen. »Eure Schwester? Das hätte mir gerade noch gefehlt!«
Ileana stapfte durch den tiefen Schnee heran, wobei sie ungeduldig die frostigen Äste beiseite fegte. Ihr Samtcape wehte; die Kapuze umrahmte ihr Gesicht, das wie immer einen widerspenstigen Ausdruck zeigte. Um den Hals trug sie einen ausgefallenen Schal, eine Art Stola aus orange-und ockergeflecktem Pelz. »Leila«, schrie Cam und wandte sich schnell wieder zu dem Nebelwirbel um. »Sie ist hier, Ileana ist hier!«
»Aber Leila ist-nicht mehr da«, sagte Alex und ließ die Hand ihrer Schwester los. Der Dunstschleier, aus dem die Gestalt der strengen alten Frau erschienen war - er war dem Dampf gewichen, der aus dem Bach und der saftig grünen Uferböschung aufstieg.
»Wo ist euer Freund?«, fragte Ileana. Der Pelz um ihren Hals bewegte sich und miaute.
»Das ist ja Boris!« Cam erkannte Ileanas Schoßtier sofort wieder, den Kater, der einmal dafür gesorgt hatte, dass Fredo vor Angst fast aus der Haut gefahren war. »Mit wem habt ihr gerade gesprochen?«, fragte Ileana und blickte sich um. »Und wer hat euch hierher gefahren?«
Alex versuchte, ihren Blick von Ileanas Augen zu lösen -das genaue Ebenbild ihrer eigenen und Cams Augen. Und Leilas. »Niemand hat uns gefahren«, antwortete sie gedankenverloren. »Wir haben uns mit unserer ...«
»Und ihrer!«, berichtigte Cam ihre Schwester. Ileana unterbrach sie. »Was soll das
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