Wiedersehen in den Highlands - Roman
wird ...« Glendinning zögerte. »Er wird nicht lange ein Invalide sein. Ich kann nichts mehr für ihn tun.«
»Warum haben Sie ihn denn dann zur Ader gelassen?«, wollte Janet wissen.
»Um den Druck des Blutes auf seine Lungen zu verringern«, erklärte der Doktor.
»Und das hier?« Tom hielt die Flasche hoch. »Ist diese Medizin nur zur Beruhigung?«
»Es ist eine Tinktur mit einem starken Narkotikum, um die Schmerzen erträglich ...«
»Um ihm beim Sterben zu helfen, meinen Sie?«, sagte Tom.
»Ein friedlicher Tod ist alles, worauf man hoffen darf«, erwiderte der Doktor. »Sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen.«
»Nein«, rief Tom, »nein!« Damit stürzte er in den Hof hinaus.
Die Harfe war kaum mehr als ein Spielzeug. Sie war wie die keltische Harfe geformt, die das Grabmal eines vergessenen Barden aus Ayrshire auf der Rückseite des Pendicle Hill schmückte, und wie die Harfen, die sich die Engel an die Brust drückten, die auf den Stichen in dem großen, schwarz gebundenen Buch der Gebete und Predigten dargestellt waren, das ihr Vater bei einer Versteigerung als Ersatz für eine Familienbibel erworben hatte. Er hatte seinen Namen, den ihrer Mutter und ihren eigenen auf das gesprenkelte Deckblatt geschrieben, das Buch jedoch, soweit Rose wusste, danach nie wieder aufgeschlagen.
Sie selbst hingegen hatte sich die Illustrationen immer wieder genau angesehen, wenn sich die Gelegenheit dazu geboten hatte. Rose war fasziniert von der Darstellung von Engeln in Nachtgewändern, die würdige Seelen im Himmelsgewölbe willkommen hießen. Sie hatte Mrs. Prole einmal gefragt, ob es im Himmel denn nie regne, und sich ein paar Ohrfeigen eingehandelt für ihre Frechheit, die nach Mrs. Proles Ansicht an Gotteslästerung grenzte.
Die Harfe stammte ebenfalls aus einem Verkauf, aus einem der großen Häuser südlich von Girvan. Ihr Vater hatte ihr gesagt, sie habe einmal der kleinen Tochter eines vornehmen Gentlemans gehört, bevor das Mädchen zu den Engeln ins Paradies abberufen worden war. Rose hatte sich gefragt, weshalb die Tochter eines vornehmen Gentlemans ihre Harfe nicht hatte mitnehmen müssen, doch sie hatte es für besser gehalten, unwissend zu bleiben, als noch mehr Prügel dafür zu riskieren, dass sie die Wege des Herrn hinterfragte.
Die Harfe hatte eine einzige Reihe mit Saiten. Der Rahmen war aus lackiertem Holz, das sich in der feuchten Luft des Dachbodens in letzter Zeit verzogen hatte. Mr. Cameron, der eingestellt worden war, um Rose im Französischen zu unterrichten, hatte ihr erklärt, es sei eine Nachahmung einer Lyra oder vielleicht einer Clarsach, jenes Instruments, auf dem Tristan seine Isolde in der Musik unterwiesen hatte.
Mr. Cameron, mit seinen buschigen Brauen, abgetragenen Kleidern und nicht einen Tag jünger als sechzig, war so töricht gewesen, Rose die tragische Geschichte von Tristans Leidenschaft für die Ehefrau seines Onkels zu erzählen, und da er ein kleiner Pedant war, hatte er auch die Ursprünge der Erzählung in der Geschichte der Pikten und ihre Entwicklung als mittelalterliche Romanze umrissen. Er hatte Rose sogar einen kostbaren Band der Erzählung in französischer Sprache geliehen, um sie zum Lesen zu ermuntern, aber Papa hatte ihr das Buch aus den Händen gerissen, es Mr. Cameron an den Kopf geschleudert und den alten Burschen auf der Stelle dafür entlassen, dass er einem unschuldigen Kind solchen Schmutz in den Kopf setzte.
Auch wenn Rose’ Französisch-Unterricht damit beendet gewesen war, besaß sie noch immer die Harfe und konnte ihr, ob verzogen oder nicht, ein paar einfache, melancholische Melodien entlocken, die vielleicht sogar den Liedern ähnelten, die Tristan seiner entzückenden Isolde vorgesungen hatte. Sie dachte sich selbst Worte dazu aus und summte sie leise vor sich hin, während die Saiten unter ihren Fingerspitzen erklangen und den Gestank von einweichendem Flachs und das wilde Gejohle von den Tavernen der Stadt übertönten.
Trotz der Salbe, die Mrs. Prole ihr gegeben hatte, sickerte noch immer Blut aus ihren Wunden. Sie badete sie in dem warmen Salzwasser, das Dorothy in einer Schüssel aus der Küche hochbrachte.
»Sind Sie für das ausgepeitscht worden, was Tassie zu Ihnen gesagt hat?«, fragte Dorothy.
»Tassie hat mir nichts gesagt, was von Bedeutung wäre«, antwortete Rose.
»Sie ist sehr böse auf Sie«, flüsterte Dorothy. »Die alte Prole, meine ich.«
»Ich habe ihr einen guten Grund gegeben, nehme ich an.«
»Haben Sie
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