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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zuzuschauen.
    Er nickte und tanzte mit Daisy Flinders. Doch vor dem nächsten Tanz kam er wieder und fragte mich erneut, und diesmal fiel mir keine passende Ausrede ein. Zuerst tanzten wir vorsichtig wie zwei Menschen, die sich ihren Weg ertasten. Dann entspannte ich mich allmählich. In meiner Zeit in Hannesford hatte ich fast vergessen, wie sehr ich das Tanzen liebte.
    Danach freute ich mich auf unsere Begegnungen, und wann immer sich eine Gästeschar in Hannesford versammelte, hielt ich nach ihm Ausschau. Nach und nach löste sich meine Einsamkeit auf. Mein Herz war ein bisschen leichter, wenn er da war. Auf dem Rückweg von Ausflügen gingen wir oft nebeneinander her und unterhielten uns angeregt, bis Hannesford in Sicht kam. Und mit der Zeit fürchtete ich die Leere überfüllter Räume nicht mehr.

5
    A ls der Wagen mich im Dorf absetzte, hatte sich der Himmel zugezogen, und der Tag wurde allmählich kälter. Im Pfarrhaus erfuhr ich, dass Anne und Mr Uttley gerade die Kirche mit Stechpalmenzweigen schmückten. Der Turm von St. Oswald war noch in goldenes Sonnenlicht getaucht, doch dahinter ballten sich ganze Bataillone von Schneewolken drohend zusammen. Im Inneren der Kirche schien die Kälte von Jahrhunderten zu hängen, und die beiden hatten ihre Mäntel anbehalten. Obwohl es noch früher Nachmittag war, brannte in der Nähe des Altars eine Lampe. Als ich eintrat, winkte mir der Pfarrer freundlich zu.
    »Hallo, Tom! Kommen Sie herein! Kommen Sie! Sie haben uns auf frischer Tat ertappt.« Er winkte mich heran und erklärte, dass die Tradition, die Kirche zu schmücken, während der Feindseligkeiten vernachlässigt worden sei. »Doch in diesem Jahr hatten Anne und ich das Gefühl, dass ein bisschen Stechpalme aus der Hecke nicht schaden könnte. Zweifellos werden manche es als heidnisch betrachten, doch das lässt sich nicht ändern …« Er deutete stolz mit der Hand auf ihr Werk. »Nun, wir sind fast fertig! Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen … Ich habe noch zu arbeiten, und Mrs Uttley erwartet mich.« Und er ließ mich mit Anne allein.
    »Was führt Sie an diesem Winternachmittag in die Kirche?«, fragte sie lächelnd. »Weihnachtsstimmung?«
    »Ganz und gar nicht«, gestand ich und berichtete, dass ich Reggie besucht hatte.
    »Schlimm?«
    »In gewisser Hinsicht schon. Obwohl er sich andererseits erstaunlich wenig verändert hat. Ich wollte Sie etwas wegen seines Gesichts fragen.« Ich sah zu, wie sie ihre Utensilien in einen Korb legte. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, das ins Pfarrhaus zu bringen?«
    Aber Anne musste noch in ein etwas außerhalb des Dorfes gelegenes Haus, um etwas für Mrs Uttley zu erledigen.
    »Sie können gern mitkommen«, fügte sie lächelnd hinzu, »falls Ihnen nach einem Spaziergang zumute ist.«
    Auf der Kirchturmuhr war es kurz nach zwei, doch mir kam es vor, als wäre ein ganzer Tag vorbeigeglitten. Unser Weg führte über kahle Felder, und die Luft war voller Saatkrähen, die bei unserem Anblick laut krächzten und in unregelmäßigen Bahnen unter dem offenen Himmel kreisten.
    »Sie wollten mich wegen Reggies Gesicht fragen, Tom«, erinnerte mich Anne, nachdem wir ein Stück gegangen waren und uns nur über alltägliche Dinge unterhalten hatten.
    Also erzählte ich ihr von meinem Besuch in Cullingford und Reggies Verletzungen. »Ich kenne mich mit so etwas nicht aus, aber in London habe ich Männer gesehen, die ihre Verletzungen unter Masken verbargen. Wäre das vielleicht etwas für Reggie?«
    »Möglicherweise.« Sie klang skeptisch. »Es ist natürlich kein medizinisches Verfahren, obwohl ich glaube, dass einige Ärzte sie empfehlen. Allerdings kommt es mir schrecklich vor, wenn Soldaten glauben, sie müssten ihr Gesicht verstecken. Eigentlich ist das ein Armutszeugnis für uns alle.«
    Ich warf ihr einen Blick zu. Nach meiner Begegnung mit Reggie wirkte sie wohltuend offen und energisch. Sie ging schnell, ohne außer Atem zu kommen.
    »Reggie kennt diese Masken«, fuhr sie fort. »Aber LadyStansbury sagt, er beginnt zu toben, sobald sie das Thema erwähnt. Mrs Uttley hat sie deswegen wohl zurechtgewiesen. Sie sagte, man solle Reggie Zeit lassen, bis er selbst zu einer Entscheidung gelangt sei.«
    Ich nickte. Das klang ganz nach Mrs Uttleys ermutigender Weisheit.
    »Der arme Reggie. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich ihn früher nie wirklich gemocht habe. Er war immer so fest entschlossen, unangenehm aufzufallen. Und ich hatte Angst vor seinem Jähzorn. Er

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