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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dichten Farn hinunterstieg.
    Als ich ihr später ein Kompliment deswegen machte, schüttelte sie nur den Kopf.
    »Ach, die Leute geraten eben leicht in Panik. Ich musste nur Ruhe hineinbringen. Manchmal ist es das Einzige, was eine Krankenschwester tun kann.«
    Ich dachte mir damals nichts dabei. Es schien nur eine beiläufige Bemerkung zu sein. Später aber halfen mir ihre Worte, wenn ich es mit jungen Männern zu tun hatte, die verwundet, blutig und zerfetzt vor mir lagen. Dann erinnerte ich mich andiese stillen, tröstlichen Worte – Ruhe hineinbringen, Ruhe hineinbringen – und versuchte, es Anne gleichzutun. Nachdem ich einem Mann beim Sterben beigestanden hatte, dachte ich erstaunlich oft und voller Dankbarkeit an Anne.
    Die ersten Sterne drängten sich in den blauen Abend, als ich nach Hannesford Court zurückkehrte. Hinter mir, westlich des Dorfes, sammelten sich noch immer die Wolken, doch der Himmel über dem Haus war klar und die Luft sehr kalt. Ich fürchtete mich vor der Stille, die mich auf dem Heimweg erwartete, doch das Dorf war erfüllt von den üblichen Geräuschen eines Winterabends. Hinter dem Stansbury Arms schimpfte Turner, der Gastwirt, mit einem Jungen, weil der Hof so unordentlich aussah. In der Kirche übte jemand auf der Orgel, was mich an die alte Miss Shaw erinnerte. Ich fragte mich, ob sie noch am Leben und rüstig genug war, um die Register zu ziehen.
    Als ich das Dorf hinter mir ließ, schlug ein Hund drüben auf Winnard’s Farm an, und irgendwo links von mir, wo es eigentlich gar keinen Hund hätte geben sollen, wurde das Gebell beantwortet: ein zeitloser Austausch, rau und klagend und unendlich beruhigend. Noch bevor ich das Haus sehen konnte, hörte ich die Musik. In der Orangerie ließ jemand Harrys Grammophon laufen. Als ich zwischen den Bäumen hervortrat und Hannesford sah, das mich erwartete, die Fenster hell erleuchtet unter dem dämmrigen Himmel, überkam mich eine ungewohnte heitere Freude. In diesem Augenblick fiel es mir überraschend leicht, die vielen schönen Gebäude zu vergessen, die ich in Trümmern hatte liegen sehen; gewiss würde Hannesford für immer bestehen.
    Ich hatte recht gehabt mit der Musik. Alle hatten sich in der Orangerie versammelt – Margot, Bill, Freddie Masters, Neil Maclean. Irgendwo zwischen den Palmwedeln plauderten Lucy Flinders und Laura Finch-Taylor. Sogar DennyHoughton und Violet Eccleston waren da, Letztere mit einer Art lila Turban auf dem Kopf. Obwohl es noch nicht einmal fünf war, stand ein Champagnerkübel bereit, und Bill hatte eine Platte von Caruso aufgelegt, an die ich mich noch aus Harrys Zeit erinnerte.
    »Tom!«, sagte Bill erfreut, als er mich sah. »Herein mit dir! Susan ist gerade angekommen, und wir dachten, eine kleine Feier wäre angebracht. Sie ist jeden Augenblick da, dann haben wir alle zusammen. Denny, alter Esel, gib ihm ein Glas. Wir haben noch eine Menge Zeit, bevor wir uns umziehen müssen.«
    Eigentlich hätte ich erwartet, dass sich Denny und Bill noch in Jagdkleidung im Waffenzimmer herumtreiben und die letzten Tropfen aus ihren Flachmännern trinken würden, statt sich zu so einem spontanen Treffen in der Orangerie einzufinden.
    »Sie hatten einen scheußlichen Tag«, erklärte Margot, ergriff meinen Arm und zog mich ins Zimmer. »Henson, der Wildhüter, ist in Ungnade gefallen. Kaum ein Vogel zum Schießen da. Es ist natürlich nicht seine Schuld. Er wurde erst im Sommer demobilisiert, der Ärmste, und hat das Anwesen in einem schrecklichen Zustand vorgefunden. Während er weg war, hat sich keiner um die Jagd gekümmert.«
    »Denny hat als Einziger überhaupt etwas getroffen«, warf Bill ein. »Vater hat sich schrecklich aufgeregt, daher haben wir nach dem Mittagessen Schluss gemacht.«
    Das Gefühl der Zeitlosigkeit, das mich vorhin überkommen hatte, löste sich allmählich auf. Die Jagdpartien auf Hannesford waren berühmt, und so früh war noch nie eine zu Ende gewesen.
    »Und wie war Ihr Ausflug nach Tenmouth?«, fragte ich Maclean, als er zu uns herüberkam.
    »Faszinierend, nicht wahr, Margot? Eure engen Landstraßen sind schon ein Erlebnis, aber Tenmouth ist eine hübsche Stadt – allerdings ziemlich kalt, so weit unten am Wasser.«
    Anscheinend hatten Margot und Lucy Flinders Maclean weitgehend sich selbst überlassen, während sie eine Modistin aufgesucht hatten, die kürzlich aus London zugezogen war. Sie hatten zu dritt im Angel gegessen und waren zurückgekehrt, bevor es richtig dunkel wurde.

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