Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
ist? Ich bin jetzt vermutlich ein besserer Heiratskandidat als früher. Es gibt eine Menge Frauen, die jeden Unhold heiraten würden, solange er nur der Erbe von Stansbury ist. Position, Geld und so viele Liebhaber, wie sie möchten. Und ich könnte mich nicht einmal beklagen. Und niemals unerwarteterweise nach oben schleichen.« Er lachte derb. »Was ist mit dir? Du hast doch das Geld deines Vaters geerbt. Du müsstest ganz gut dastehen.«
    Ich nickte verlegen. »Ich kann angenehm leben.«
    »Wohlhabend, unverheiratet und unversehrt. Du hast die freie Wahl. Aber warum die Sache überstürzen? Denk nur an all die hübschen kleinen Ehefrauen, deren Männer beschädigte Ware sind …«
    Reggie musste meinen Abscheu bemerkt haben, denn er schlug plötzlich und heftig mit der Hand auf die Fensterbank.
    »Verdammt, Allen! Jetzt tu nicht so, als würdest du über allem stehen.« Wie immer schien sein Zorn aus dem Nichts aufzuflammen. In seinen Augen hinter der Maske aus entfärbter Haut funkelte derselbe gefährliche Zorn wie früher. »Begreifst du überhaupt, was für ein verfluchtes Glück du gehabt hast? Begreifst du das? Was für ein verdammtes, beschissenes Glück! Nenn mir einen außer dir, der die ganze Sache so gut überstanden hat. Fällt dir jemand ein? Na? Mir jedenfalls nicht. Es ist, als hätte es ein einziges Gewinnlos in der Tombola gegeben, und du hättest es gezogen. Wie fühlt sich das an, Tom? Wie fühlt es sich an, wenn man der Einzige ist, der sich den Staub von den Kleidern klopft und davonspaziert?«
    Er schrie jetzt, und seine Stimme bebte. »Sag mir, wie sich das anfühlt !«
    Ich senkte den Kopf, konnte ihm die Frage aber nicht übelnehmen. Ich hatte sie mir selbst oft genug gestellt.
    »Für mich ergibt es nicht mehr Sinn als für dich«, sagte ich leise. »Und das wird es wohl auch nie.«
    Ich blickte auf und sah, dass sein Zorn so rasch verflogen war, wie er gekommen war. Er schien zu lachen.
    »Mein Gott, Tom, es ist unfassbar. Du hast das große Los gezogen, von dem wir alle geträumt haben, und keinen Schimmer, was du damit anfangen sollst.«
    Reggie lachte mit aufrichtiger Heiterkeit und deutete auf den Rasen. Der Mann mit den Krücken war wieder aufgetaucht und bewegte sich unbeholfen in die Gegenrichtung.
    »Das ist Dawkins. Cheshire Regiment. Hat bei Cambrai ein Bein und einen Fuß verloren. Der Vater ist Landarzt. Seine Verlobte starb an der Grippe, kurz bevor er herkam. Armes Schwein. Aber sieh ihn dir an. Das macht er jeden Tag. Hin und her.«
    Er drehte sich wieder zu mir.
    »Weißt du was? Ich glaube, ich habe mich nie glücklicher gefühlt als da drüben, wenn die Granaten heranflogen.« Er hielt inne, wie um mir Zeit zu geben, mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen. »Oh, natürlich hatte ich Angst wie alle anderen. Solche Angst, dass ich die Arme verschränkte, damit keiner sah, wie mir die Hände zitterten. Aber selbst wenn ich vor Angst fast von Sinnen war, fühlte ich mich darunter seltsam friedlich. Der ganze Zorn, den ich in Hannesford immer gespürt habe, war weg. In den Tagen vor einem Angriff schlotterten mir die Knie, aber danach, wenn ich es überstanden hatte und unversehrt geblieben war … was für eine Euphorie . Ich glaube, ich wollte, dass es immer weitergeht.«
    Ich hatte ihn noch nie so viel reden hören; Reggie war immer schweigsam gewesen. Früher war ich derjenige, der stets die passenden Worte gefunden hatte.
    Ich blieb fast eine Stunde im Sanatorium, obwohl Reggie nach diesem unerwarteten Ausbruch von Redseligkeit nicht mehr geneigt schien, über seine Zeit an der Front zu sprechen. Ich übrigens auch nicht. Die Jahre in Frankreich türmten sich zwischen uns auf; es war einfacher, gar nicht erst davon anzufangen. Dennoch war das Schweigen, das sich immer wieder herabsenkte, nicht unangenehm, auch wenn wir in der Welt vor dem Krieg nie richtige Freunde gewesen waren.
    Bevor ich ging, fragte ich Reggie, ob er sich an Professor Schmidt erinnern konnte.
    »Professor wer?« Seine entstelltes Gesicht verriet keine Regung. »Ach ja. Vaters Hunne. Kann mich kaum an ihn erinnern.Abgesehen von seinem Tod natürlich. Hat die Festlichkeiten ein bisschen getrübt. Warum fragst du?«
    »Wegen etwas, das Freddie Masters gesagt hat. Ich meine mich zu erinnern, dass du Streit mit dem Professor hattest. Kurz vor dem Rosenball.«
    »Tatsächlich?« Er zuckte mit den Schultern. »Kann sein. Verdammt unhöflich von mir, falls es so war. Immerhin war er unser Gast. Aber ich

Weitere Kostenlose Bücher