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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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während dieses Zimmer auf mich wartete. Nichts hatte sich bewegt, nichts verändert. Es war ein unheimliches Gefühl.
    Zu meiner Verwunderung hatten die Negative überlebt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die ungewisse Alchemie von Chemikalien und Licht, die Zerbrechlichkeit des Films … empfindlicher noch als das menschliche Gedächtnis. Doch da waren sie, unversehrt, mit allen Einzelheiten – und auf eine Weise geordnet, zu der Erinnerungen nicht fähig sind. Ich krempelte die Ärmel auf und begann, sie zu untersuchen.
    Ich tauchte nur einmal aus dem Dunkel auf, um Mrs Hodge im Dienstbotentrakt aufzusuchen. Zu ihrem Erstaunen erkundigte ich mich nach ihrer Haushaltsführung. Sie muss gedacht haben, ich hätte den Verstand verloren.
    Danach tauchte ich bis zum späten Vormittag unter. Als ich um kurz nach elf fertig war, machte ich mich auf die Suche nach Freddie Masters und fand ihn im Billardzimmer, wo er Karambolagen übte.
    »Hallo, alter Junge«, begrüßte er mich fröhlich. »Lust auf eine Partie? Ein seltsam beruhigender Zeitvertreib. Außerdem habe ich das Zimmer um diese Zeit meist für mich allein. Aber du bist mir herzlich willkommen.«
    Ich nahm einen Queue aus dem Regal und betrachtete ihn zerstreut. »Ich hatte gehofft, wir könnten über den Professor sprechen.«
    Masters nickte, mein Wunsch schien ihn nicht zu überraschen. »Es lässt dir keine Ruhe, was? Dachte ich mir.«
    Mein Instinkt riet mir, offen zu sein, doch aus irgendeinem Grund wollte ich ihm nicht von Julia Woodward erzählen. Es kam mir zu aufdringlich vor, beinahe unanständig. Aber ich musste ihn etwas fragen.
    »Hör mal, Freddie, es ist lange her, aber kannst du dich erinnern, was du an dem Samstag vor dem Rosenball gemacht hast?«
    Er hielt inne, weit über den Tisch gebeugt. »Ich glaube nicht. Du etwa?« Er spielte eine schwierige Karambolage mit vollkommener Präzision.
    »Ich denke schon. Ich bin nämlich alle Fotos durchgegangen, die ich in der Woche aufgenommen habe. So konnte ich nachvollziehen, was an den einzelnen Tagen passiert ist. Die Negative sind zeitlich geordnet. Am Samstag hat der Professor seinem Sohn geschrieben, oder? Und an diesem Tag hat er auch … was immer es war, mit angesehen.«
    »Wenn du meinst …« Masters kreidete seinen Queue ein, den Kopf leicht schräg gelegt, und wartete, dass ich weitersprach.
    »Der Tag, an den ich denke, war sehr heiß. Der Professor war mit seinem Schmetterlingsnetz unterwegs. Julian und Margot waren in der Nähe und auch Reggie. Ich habe sie alle zu unterschiedlichen Zeiten am See gesehen. Ich habe versucht, mich zu erinnern, wer sonst noch da war. An welchem Tag warst du mit den Everson-Brüdern bei der Pferdeauktion?«
    Freddies argwöhnischer Blick verschwand. »Na so was, die hatte ich völlig vergessen! Es muss um diese Zeit gewesen sein. Meinst du, die war am selben Tag?«
    »Ganz sicher. Sieh mal.« Ich reichte ihm einige Fotos. »Erkennst du den Burschen?«
    Ein junger Mann in Blazer und Krawatte lehnte an der Motorhaube eines Autos und rauchte eine Zigarette. Anscheinend hatte er nicht bemerkt, dass ich ihn fotografierte. Das Bild war von hinten und so vor der Kulisse von Hannesford Court aufgenommen, dass Wagen und Gestalt zwergenhaft erschienen. Das nächste Foto war aus einer anderen Perspektive entstanden und zeigte Freddies Gesicht, ruhig und faltenlos.
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Erkennst du ihn? Wohl kaum. Im Kampf gefallen. Manchmal vermisse ich ihn. Wieso habe ich die noch nie gesehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Vermutlich habe ich sie erst ein oder zwei Tage danach entwickelt. Möglicherweise am Abend vor dem Rosenball.«
    »Sie sind gut. Sehr gut.« Freddie ging den Stapel durch und schenkte jedem Foto seine ganze Aufmerksamkeit. Das nächste halbe Dutzend war aus der Ferne aufgenommen und zeigte weitere Gäste, die sich neben dem Wagen eingefunden hatten. »Es ging um die Auflösung eines Rennstalls in der Nähe von Bearhampton, oder? Ziemlich viele von uns waren da. Wir sind mit zwei Wagen gefahren – dem Daimler und Tippy Hibberts altem Lanchester. Aber ich könnte nicht mehr sagen, an welchem Tag das war.«
    »Nicht nötig. Sieh dir das nächste an.«
    Es zeigte zwei junge Hausmädchen, die auf dem Stallhof einen Teppich ausklopften. Eine holte aus und wollte gerade zuschlagen, die andere öffnete lächelnd den Mund, um etwas zu sagen. Das Foto fing ihren Gesichtsausdruck ein, einen Hauch von Gelächter und Sorglosigkeit, für immer

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