Wiedersehen in Stormy Meadows
keine Freund innen in England. Du hast jede Menge Kumpels, aber das sind alles Männer.«
»Ganz genau, und die sind alle verheiratet.«
»Richtig. Und welche Ehefrau, die auch nur über einen Funken Selbstachtung verfügt, würde wollen, dass du an Weihnachten mit ihrem Mann abhängst?«
»Warum habe ich außer dir keine Freundinnen, Nattie?«
»Weil Frauen Angst vor dir haben. Angst davor, dass ihre Männer oder Freunde dich mehr mögen könnten als sie.«
»Ach, es ist schon ein schweres Schicksal, begehrenswert zu sein«, seufzt sie dramatisch. »Und wieso hattest du keine Angst vor mir?«
»Weil ich dich sofort durchschaut hatte.«
»Na, danke!«
»Ich meine das positiv. Ich habe sofort gesehen, was sich unter der kratzbürstigen Vamp-Oberfläche verbirgt.«
»Nämlich ein kratzbürstiger Vamp?«
»Nein, ein ganz süßer Kuschelhase«, ziehe ich sie auf und stupse sie auf die Nase. »Und, wie geht es Meryl? Hast du dich gut um sie gekümmert?«, erkundige ich mich in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Zwar nimmt Petra die Sache mit Peter mit Humor, aber er hat sie doch tief verletzt.
»Wie einem Fisch im Wasser, danke. Ich soll dir einen dicken, nassen Kuss von ihr geben.«
»Goldfischküsse sind doch wohl immer nass, oder?«
»Klar. Sag mal, hast du schon mal versucht, einen Zehn-Kilo-Truthahn inklusive Salbei-Zwiebel-Wurstbrät-Füllung in eine Mülltonne zu stopfen?«
»Ganz bestimmt nicht, nein.«
»Ich schon. Gestern, während der Weihnachtsansprache der Queen«, teilt sie mir knapp mit. »Aber was soll’s. Schwamm drüber. Für mich ist Weihnachten hier und jetzt. Prost!« Sie stößt mit mir an und leert ihr Glas in einem Zug. »Willst du auch noch eins?«
Als Laura wiederkommt, haben Petra und ich eine ganze Flasche Cru geleert und köpfen auf Lauras Veranlassung hin gleich die nächste. Dann machen wir es uns alle vor dem Fernseher gemütlich und sehen uns wohl zum achtzigsten Mal in dreißig Jahren Der Zauberer von Oz an.
Laura wird irgendwann unruhig, steht auf und erledigt ein paar Telefonanrufe. Dann kommt sie wieder ins Wohnzimmer, wo wir inzwischen bei Der Kleine Lord gelandet sind, und verkündet: »So, das wäre geritzt.«
Fragend sieht Cas sie an.
»Wir gehen aus. Den Warmwasserboiler habe ich bereits eingeschaltet, in einer halben Stunde kann es losgehen. Ich möchte, dass ihr euch alle um Viertel nach sieben frisch geduscht und angezogen wieder hier unten versammelt. Und Nat: keine Jeans. Ich hoffe, du hast auch noch etwas anderes dabei.«
Petra holt ihren Kulturbeutel aus ihrer Reisetasche, dann verziehen wir uns erst mal in mein Zimmer. »Hier, ich habe dir auch deine Post mitgebracht. Und ich soll dir einen schönen Gruß von Elaine sagen.«
»Einen schönen Gruß und?«
»Nichts und. Natürlich kannst du dir so lange freinehmen, wie du möchtest.« Petra lacht und imitiert dann erschreckend gut Elaines überkorrekte Nachrichtenstimme: »Es liegt selbstverständlich ganz bei dir, wann du wieder arbeiten möchtest, aber sie wollen ein Interview mit einer extrem wichtigen Persönlichkeit machen, und sie glauben, dass das genau dein Ding wäre.«
»Aha. Und um wen handelt es sich?«
»Um Molly Billingham.«
»Die Frau von Ralph Billingham?«
»Die Witwe, um genau zu sein. Du hast es also schon gehört?«
»Ja, natürlich, das war doch auf allen Titelseiten. Wir sind hier in Cornwall, Petra, nicht in der Äußeren Mongolei. Und wann soll dieses Interview stattfinden?«
»Siehst du, da genau ist der Haken. Sie haben noch keinen Termin. Molly Billingham lehnt jedes Interview strikt ab.«
»Aha.« Ich werde wütend, als mir aufgeht, wieso Elaine ausgerechnet mich auf sie ansetzen will. »Verstehe: Elaine meint, dass ich zu ihr durchdringen kann, indem ich ihr vom tragischen Unfalltod meines Mannes erzähle und mich so quasi mit ihr solidarisiere, ja?«
Petra verzieht das Gesicht. »Ich weiß ja selbst, dass es nicht die feine englische Art ist, aber jetzt lass deinen Ärger bitte nicht an mir aus, ja? Ich bin bloß der Überbringer der schlechten Nachricht.«
»Nicht die feine englische Art? Das ist ja wohl die Untertreibung des Jahres.«
»Ich verstehe dich ja.« Petra zuckt die Achseln. »Aber so läuft das nun mal in unserem Business, Nat – das weißt du ganz genau.«
»Ich bin aber keine von den Journalistinnen, die für eine gute Story ihre Seele verkaufen würden, Petra. Und das weißt du ganz genau.«
»Oh, ja. Für jemanden in deiner Position bist du
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