Wiedersehen in Stormy Meadows
kann.
Als in meinem Rücken die Küchentür zuknallt, bleibt mir vor Schreck fast das Herz stehen.
»Du hast Camleys bezahlt?« Lauras Stimme klingt beinahe vorwurfsvoll.
»Wie bitte?«
»Du hast die Rechnung für die Lebensmittel bezahlt.«
»Ach so.« Ich schließe die Zeitschrift langsam und wende mich meiner Mutter zu. »Ich hab vergessen, es dir zu sagen. Er ist hier gewesen, während du gerade unterwegs warst, also habe ich ihn bezahlt.«
»Ich bin nicht am Verhungern«, fährt sie mich an.
»Davon ist auch gar nicht die Rede. Du willst nicht, dass wir für unsere Verpflegung hier etwas bezahlen, also habe ich gedacht, ich könnte das auf andere Weise gutmachen. Ich wollte es dir sagen – hatte es aber einfach vergessen.«
»Ach so?«, fragt sie skeptisch.
»Ja. Sei bitte nicht böse. Ich wollte bloß die Unkosten bezahlen, die wir dir verursachen.«
»Indem du eine Rechnung von fast tausend Pfund begleichst?«
»Ich wollte nur helfen, mehr nicht.«
»Und du glaubst, dass ich diese Art von Hilfe brauche? In den sechzehn Jahren, die du nicht hier warst, konnte ich mich auch allein finanzieren.«
Ich wundere mich über Lauras Tonfall.
»Hier geht es nicht bloß ums Geld, oder?«, frage ich leise.
Sie seufzt und streicht sich das Haar aus dem Gesicht. »Nein, da könntest du recht haben.«
»Aber was bedrückt dich denn dann? Was ist los?«
»Das ist es eben, Nattie. Ich bin sechzehn Jahre lang ganz allein klargekommen. Sechzehn Jahre! Das ist dein halbes Leben und ein großer Teil von meinem.« Flüsternd spricht sie weiter. »Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass ich dich vielleicht vermissen könnte?«
Ich möchte sie beruhigen, drücke ihren Arm, antworte aber nicht. Ich weiß, dass wir reden müssen, aber in diesem Moment, nachdem ich gerade den Artikel wiedergefunden habe, kann ich das einfach nicht. Es gibt zu viel anderes, womit ich fertigwerden muss, da passt es mir nicht in den Kram, einen Morgen lang mit Laura die Gründe zu beleuchten, warum wir uns so weit voneinander entfernt haben.
Daher bin ich erleichtert, als Cas den Kopf zur Hintertür reinstreckt. Laura soll ihr helfen, Chance fertig zu machen, und während meine Mutter Mantel und Stiefel anzieht, plappert Cas aufgeregt los, wo sie als Erstes mit ihm hinreiten möchte.
Ich warte, bis die beiden draußen sind, dann ziehe ich mir selbst Mantel und Stiefel an. Feige husche ich über den Hof und an Chances Box vorbei, wo Laura Cas gerade hilft, den Sattelgurt festzuziehen. Schnell verschwinde ich in dem langen Durchgang, dem Windkanal zwischen den beiden Scheunen, gehe durch die Pforte und dann weiter über die Wiesen.
Ich nehme den direkten Weg zum Meer.
Das Gehen tut mir gut. Der Wind und die frische Salzluft klären meine Gedanken. Während ich die Bewegung des Wassers beobachte, werde ich ruhiger. Heute habe ich das Gefühl, dass ich im Gehen meine Sorgen loswerden kann. Wenn ich schnell genug den Küstenweg entlangmarschiere, werden sie zurückbleiben, bis sie schließlich außer Sicht sind.
Erst als die Landschaft mir bekannt vorkommt, wird mir klar, dass ich hier schon einmal entlanggewandert bin. Natürlich, an dem wilden, stürmischen Tag, als ich von Land’s End aus losgelaufen bin, war ich auch hier. Ich bin nur aus der anderen Richtung gekommen. Jeden Augenblick muss jetzt der Felsvorsprung auftauchen, wo ich zwischen den Gesteinsbrocken Zuflucht gefunden habe.
Es ist beißend kalt, aber der Himmel ist fast wolkenlos. Der Wind hat sich gelegt, nur eine ganz leichte Brise zaust das Gras, hebt die langen, weißgrünen Halme und weht sie in die Richtung des eisgrünen Meeres. Die Möwen kreisen über der Steilküste und lassen sich mit weit ausgebreiteten Flügeln von dem leichten Wind tragen. Immer wieder ertönen ihre klagenden Rufe über mir.
Als ich das Steinhäuschen des Huers erreiche, weiß ich, dass ich richtig bin. Ich rutsche über die Felsen dahinter abwärts und suche den Eingang zu meinem heimlichen Versteck. Es muss hier irgendwo sein, aber diesmal brauche ich viel länger, um es zu finden; ich klettere über Felsen, gleite erst auf dem Gras aus und dann auf den moosbewachsenen Klippen. Ich kann kaum glauben, dass ich neulich in diesem Unwetter hier unterwegs war, aber vielleicht hatte es auch sein Gutes, dass die Sicht so schlecht war. Hätte ich genau sehen können, wo ich herumgeirrt bin, dann wäre ich vielleicht umgekehrt.
Schließlich stoße ich auf die schmale Öffnung zwischen den Felsen,
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