Wiedersehen in Stormy Meadows
für uns bestellt habe und es extrem uncool sei, nicht wenigstens ein Gläschen mit ihm zusammen zu trinken.
Also halte ich mich an meinem Glas Rotwein fest und beobachte dabei amüsiert, wie Laura sich unter Cassies Kommentaren und Anspielungen windet, während Charles darüber lacht.
Endlich gelingt es mir, Cas wieder mit zurück auf die Farm zu schleifen, sodass meine Mutter ihr heimliches Stelldichein in Frieden genießen kann. Ermutigt durch unsere Kameradschaft bei dieser gemeinschaftlichen Unternehmung versuche ich auf der Rückfahrt, Cassie noch einmal in ein Gespräch zu verwickeln, aber ich werde enttäuscht. Sie zieht sich wieder in ihr gewohntes abweisendes Schweigen zurück.
Um zwei Uhr morgens wecken mich Geräusche aus einem merkwürdigen Traum über sprechende Gänse. Meine Mutter kommt nach Hause. Sie schließt die Küchentür zwar ganz leise, aber das laute Knarren der dritten Treppenstufe und ihr ebenso lautes anschließendes Kichern reißen mich aus meinem Gespräch mit einer ungewöhnlich liebenswürdigen Gertrude. Es geht darum, welche Füllung ihr für das Weihnachtsessen am liebsten wäre. Ich höre ein tiefes Lachen, dann wird die Tür zu Lauras Schlafzimmer geöffnet und wieder geschlossen. Die Bettfedern quietschen, als zwei Personen auf die Matratze sinken. Ich ziehe mir das Kissen über den Kopf und zwinge mich, wieder einzuschlafen.
Kurz nach sechs wache ich auf. Es hat keinen Sinn, noch weiterzuschlafen, denn ich bin hellwach, und bis sieben werden die anderen auch an Deck sein.
Ich stehe auf und gehe in die Küche hinunter. Ich will mir eine Tasse Tee machen, wieder nach oben gehen, duschen und dann gleich frühstücken.
Als ich das kochende Wasser in die Teekanne gieße, höre ich ein Hüsteln.
Ich drehe mich um. Charles steht hinter mir, mit den Schuhen in der Hand.
»Guten Morgen«, sagt er schroff.
Ich hatte ganz vergessen, dass Laura über Nacht Besuch hatte.
Gedämpft ruft eine Stimme durch das Treppenhaus: »Charlie, Schatz, du hast was vergessen!«
Laura kommt auf Zehenspitzen herunter. Sie trägt ein durchsichtiges weißes Nachthemd und eine bestickte Stola um die Schultern, um ein Minimum an Sittsamkeit zu wahren. In der rechten Hand hält sie eine flache Kappe, mit der linken umklammert sie das Treppengeländer. Als sie mich sieht, bleibt sie wie angewurzelt stehen.
»Nattie, du bist heute Morgen ja schon früh auf«, sagt sie mit ungewohnt hoher Stimme.
»Na, ihr seid ja auch schon zugange«, antworte ich. Ich muss mir das Lachen verbeißen. »Ich meine, wir sind heute alle schon früh auf den Beinen«, füge ich hinzu, als Laura rot anläuft.
Charles reißt ihr die Kappe praktisch aus der Hand und sprintet zur Tür. »Ich muss los, schön, Sie … Sie noch mal zu sehen«, sagt er, als er an mir vorbeihetzt.
»Bleiben Sie doch noch auf eine Tasse Tee.« Ich lächle liebreizend und schwenke meine Teetasse. Laura wirft mir einen Blick zu, aber eher belustigt als ärgerlich.
»Äh, danke, nein. Hab’s eilig, komme zu spät zu … also … zu spät.«
»Und wie wär’s mit Frühstück? Ich brate Speck«, rufe ich hinter ihm her, aber er ist schon draußen.
Laura schenkt sich eine Tasse Tee aus der Kanne ein und setzt sich mir gegenüber.
»Das ist die Erklärung«, sage ich.
»Welche Erklärung?«, fragt sie, ohne mich anzusehen.
»Für das Gebumse heute Nacht. Ich habe laute Geräusche gehört, aber ich dachte, ich hätte es mir eingebildet.«
Laura schlürft ihren Tee und antwortet nicht.
»Geschäftsfreund, dass ich nicht lache.«
Einen Moment lang starrt sie mich an, dann fängt sie an zu lachen. »Gut, ihr habt mich also ertappt. Charles ist meine heimliche Sünde.«
»Und du hast keine Probleme damit?«
»Womit?«
»Dass er verheiratet ist.«
»Woher weißt du denn, dass er verheiratet ist? Davon habe ich nichts gesagt.«
»Eben.«
»Soweit mir bekannt ist, haben Charles und seine Frau Evelyn eine sogenannte offene Beziehung.«
»Ach, und das weißt du genau?«
»So hat Charles es mir gesagt, ja.«
»Das ist wohl die neueste Version von ›meine Frau versteht mich nicht‹.«
»Ja – und zwar genau das Gegenteil. Sie versteht ihn nämlich nur zu gut.«
»Und ist er nur mit dir so … so offen, oder stellt er sich allen braven Bürgerinnen von Trenrethen gleichermaßen zur Verfügung?«
Ein Lächeln spielt um Lauras Lippen. »Weißt du, jetzt klingst du genauso wie meine Mutter damals, als ich jung war. Das ist ein Rollentausch, vor
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