Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
Kyle wusste, dass das nur eins bedeuten konnte: Entweder war seine Schwester oder sein Vater hereingekommen.
Er warf einen Blick über seine Schulter und sah Jordan, die mit übergroßer Sonnenbrille und einem Kaschmirmantel nach vorne ging. Sie trug ihr blondes Haar – das etwas heller war als seines – in einem Knoten und ignorierte die Reporter, während sie sich auf einen Platz in der ersten Reihe setzte, direkt hinter Kyle.
Kyle drehte sich zu ihr um und blinzelte in die zahllosen Blitzlichter, die sofort vor seinem Gesicht explodierten. »Ich habe dir doch gesagt, dass du dir dafür nicht freinehmen sollst«, brummte er.
»Damit ich dein großes Finale verpasse? Auf keinen Fall.« Jordan grinste. »Ich bin schon ganz twittrig , wie es ausgehen wird.«
Ha ha! Kyle öffnete den Mund, um etwas zu erwidern – er hatte seiner Schwester vor fünf Monaten die Erlaubnis erteilt, so viele Witze darüber zu machen, wie sie wollte, und, meine Güte, hatte sie das ausgenutzt –, als sie ihre Sonnenbrille abnahm und ein großer, hässlicher gelber Bluterguss auf ihrer Wange zum Vorschein kam.
Oh … verdammt!
Jetzt konnte er auf keinen Fall mehr sarkastisch sein. Kyle bezweifelte, dass er sich wegen der Tatsache, wie sich seine Schwester diesen Bluterguss und ein gebrochenes Handgelenk eingehandelt hatte, jemals weniger schuldig fühlen würde. Um eine frühzeitige Haftentlassung zu erwirken, hatte sie mit dem FBI zusammengearbeitet.
Instinktiv ballten sich seine Finger zu einer Faust, als er daran dachte, wie gut es war, dass das Arschloch, das diese Verletzungen verursacht hatte, hinter Schloss und Riegel saß. Denn eine geprellte Wange und ein gebrochenes Handgelenk würden das geringste von Xander Eckharts Problemen sein, wenn Kyle jemals fünf Minuten mit dem Kerl allein sein sollte. Ja, Jordan war eine Nervensäge, aber dennoch. Kyle hatte in der sechsten Klasse die Regeln klar festgelegt, als er Robbie Wilmer ein blaues Auge verpasste, nachdem dieser ihr auf dem Schulhof die Hose heruntergezogen hatte.
Niemand legte sich mit seiner Schwester an.
Also reagierte er auf Jordans Twitter-Scherz mit einem Lächeln. »Ganz süß, Jordo.« Dann runzelte er die Stirn, als ein dunkelhaariger, gut gebauter Mann in einem typischen Regierungsanzug den Gerichtssaal betrat.
»Du hast Mr Groß-dunkelhaarig-und-sarkastisch mitgebracht?«, fragte er Jordan, als Special Agent Nick McCall auf sie zukam. Ungeachtet der Tatsache, dass seine Schwester praktisch mit dem Kerl zusammenlebte, umkreisten Nick und er sich immer noch misstrauisch. Da Kyle am Anfang ihrer Beziehung im Gefängnis gesessen hatte, war er nicht dabei gewesen, als sich alles langsam entwickelt hatte. Er wusste nur, dass Nick McCall plötzlich in ihrem Leben aufgetaucht war, und daher war Kyle ein wenig … vorsichtig, bevor er ihn in der Familie willkommen hieß.
»Sei friedlich, Kyle«, warnte Jordan ihn.
»Was denn?«, fragte er unschuldig. »Wann war ich denn jemals nicht nett zu Mr Groß-dunkelhaarig-und-das-ist-doch-hoffentlich-nichts-Ernstes-zwischen-euch?«
»Ich mag ihn. Gewöhn dich dran.«
»Er ist vom FBI. Das sind die gleichen Typen, die mich festgenommen haben, erinnerst du dich?«
Sie tat so, als würde sie nachdenken. »Hilf mir auf die Sprünge … warum haben sie dich noch mal festgenommen? Ach ja, richtig! Weil du gegen etwa achtzehn Bundesgesetze verstoßen hast.«
»Sechs. Sechs Bundesgesetze. Und es ging um Twitter!«, schoss er vielleicht ein wenig zu laut zurück.
Kyle lehnte sich wieder zurück und richtete seine Krawatte, als er sah, wie seine fünf Anwälte einen Blick wechselten, der zu sagen schien: Bekommen wir unsere fünftausend Dollar pro Stunde auch dann noch, wenn der Kerl ausflippt? »Ich meine ja nur, dass wir die Sache aus der richtigen Perspektive betrachten sollten.«
»Hey, Sawyer, ich schlage vor, dem Richter gegenüber das ›Es war doch nur Twitter‹-Argument nicht zu erwähnen, wenn er gleich kommt«, sagte Nick mit einem selbstbewussten Grinsen, während er neben Jordan Platz nahm.
Kyle blickte zur Decke und zählte bis zehn. »Sag deinem FBI-Freund, dass ich auf diesen Namen nicht höre, Jordo.« Um genau zu sein, hasste er diesen Spitznamen. Er hatte ihn im Gefängnis verpasst bekommen, weil er angeblich einer Figur aus der Serie Lost ähnelte.
»Aber der Spitzname ›Rhodes‹ war schon vergeben«, erwiderte Nick. Er nahm Jordans Hand, die mit dem Gipsverband, und strich sanft über ihre Finger,
Weitere Kostenlose Bücher