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Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Cantz
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ohne zu erfahren, ob ich Sie wiedersehen darf. Wobei ich es vorziehen würde, nicht singen zu müssen.«
     
    Elsa war hochzufrieden mit sich und ein wenig betrunken, als sie zu Hause ankam. Sie hatte sich französisch verabschiedet und die bestellte Droschke genommen, was man ihr
zweifellos verzeihen würde, da sie aus dem Abend eine fête gemacht hatte, auf der sich alle sehr amüsiert hatten. Vor allem hatte niemand mehr Finlay und Helene, das Schäfchen, in ihrem angeregten Gespräch unterbrochen. Ihr persönlicher Triumph wäre es gewesen, die beiden zum Tanzen zu bringen, doch davon hatte ihr Vater sie abgehalten.
    Sie wäre sogar mit Hersilie Stopfkuchen fertig geworden, wenn sie erneut gefragt hätte, ob sie sich erklären könne, warum Moritz ihre Einladungen nicht annahm, doch Hersilie schlief schon.
    Erst als sie sich von Eveline auskleiden ließ, bemerkte Elsa, dass ihr etwas schwindlig war.
    »Ich muss Ihnen wohl einen Kaffee machen, wie ich das sehe.« Eveline betrachtete sie misstrauisch. »Sonst spucken Sie mir noch in die Betten.«
    »Das siehst du aber vollkommen falsch«, maulte Elsa, »ich will jetzt nämlich schlafen.«
    Sie legte sich aufs Bett, was, wie sie sich eingestehen musste, keine gute Idee war.
    »Außerdem ist ein Brief für Sie angekommen«, sagte Eveline. »Wollen Sie den jetzt noch lesen oder lieber erst morgen?«
    »Na jetzt, naturellement !«
    Elsa war schlagartig wacher, jedoch keineswegs bewegungsfähiger.
    »Erst Kaffee, ich sag’s doch.«
    Eveline drehte die Flamme der Öllampe auf dem Nachttisch höher, bevor sie ging, und überließ Elsa den Schwindelgefühlen.
    Sobald ihre widerstreitenden Organe zur Ruhe gekommen waren, begann Elsa darüber nachzudenken, wie lange es noch klug war, den Prinzen hinzuhalten. Wilhelm Ludwig umwarb
sie seit ihrer Begegnung im Königlichen Palais beharrlich. Einmal, zuweilen auch zweimal wöchentlich erhielt sie einen Brief von ihm, in dem er sie um ein Zusammentreffen unter vier Augen bat. Er hatte dafür verschiedene Orte vorgeschlagen, die allesamt nicht ihrem Geschmack entsprachen. Keinesfalls würde sie sich in das Landhaus irgendeines Freundes von Adel begeben - das allein verbot sich schon aus sehr gewissen Gründen. Im Übrigen durfte sie es ihm nicht zu leicht machen. Wenn sie wollte, dass er sich für sie verwendete, war es unabdingbar, dass er sie achtete. Elsa bedauerte zutiefst, sich nicht mit Malvine beraten zu können, doch es stand zu befürchten, dass sie ihr in dieser Sache einen Rat verweigern würde. Niemandem konnte sie sich anvertrauen, sie musste sich auf die Klugheit ihrer inneren Stimme verlassen, wobei ihr nicht klar war, ob diese sich derzeit von ihrem Herzen oder ihrem Kopf leiten ließ.
    Eveline brachte den Kaffee auf einem zierlichen Tablett. Beim Anblick des Briefes, der beim Zuckerfässchen lag, überlief Elsa ein kühler Schauder. Sie lehnte sich in die Kissen, trank in kleinen Schlucken den ungesüßten Kaffee und lauschte auf Evelines sich entfernende Schritte, bis nichts mehr zu hören war. Erst dann nahm sie den Brief vom Tablett und erbrach das Siegel.
    Zuerst war sie enttäuscht, weil sie die Handschrift nicht kannte. Nur deshalb las sie zuerst die Unterschrift. Einen Lidschlag später war sie vollkommen nüchtern.

    Vom Fenster aus sah er sie mit dem hässlichen Hund und der Hofdame über den Hof davongehen. Sie würde ihren
täglichen Spaziergang im Tiergarten machen, trotz des nicht eben guten Wetters. Möglicherweise würde sie auch die Chaise nehmen - das war von seinem Posten aus nicht festzustellen. Ob es ein Fehler war, ihr nicht zu folgen? Zu spät. Er würde sie nicht mehr einholen können.
    Im Übrigen hatte er es satt, sie bei ihren belanglosen Tätigkeiten zu beobachten, und gäbe es nicht diesen fortgesetzten Lockruf seines Instinktes, den er für untrüglich hielt, so würde er inzwischen glauben, dass sie nichts zu verbergen hatte. Das Geschwätz kam indessen nicht vollständig zur Ruhe. Mal verebbte es, dann wieder brandete es auf, das konnte er in seinen Nischen und Winkeln aus dem Verborgenen erlauschen. Die Mutmaßungen hängten sich an ihren Kleidern auf, an den Schals, in die sie sich wickelte, und erst vor wenigen Tagen hatte er zwei Näherinnen hören können, die sich über die Mieder unterhielten, bei denen die Bänder ausgetauscht werden mussten. Was immer es bedeuten mochte.
    Ausgerechnet dieser Umstand, dass es ihm unmöglich war, etwas Genaues herauszufinden, warf ihn zurück

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