Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
ihrem Einfluss entziehen können. Obwohl die Schwarze Kralle auch hier so manche Intrige spann, war es ihr bisher dennoch nicht gelungen, eine eigene französische Loge zu etablieren.
Aber wie lange noch?
»Wenn die Schwarze Kralle ihre Finger im Spiel hat«, sagte Leprat, »verstehe ich auch, dass der Kardinal uns so plötzlich zurückbeordert hat. Das heißt aber auch, dass die Gefahr grö ßer ist, als wir dachten.«
»Ist diese ganze Geschichte etwa am Ende nur ein Vorwand, um uns der Schwarzen Kralle zum Fraß vorzuwerfen?«, fragte Marciac.
»Das bezweifle ich«, entgegnete La Fargue. »Aber der Kardinal weiß vielleicht schon länger um diese Verbindung, ohne es uns zu sagen.«
»Was sollen wir also glauben? Und wem?«
»Uns selbst. Niemand anderem als uns.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor …«
»Ich weiß.«
»Fassen wir also zusammen«, schlug Leprat vor, während sich alle in dunklen Erinnerungen ergingen. »Wenn die Schwarze Kralle wie wir auf der Suche nach dem Chevalier d’Irebàn ist, dann sicher nur deshalb, weil sich hinter ihm mehr verbirgt als nur der verlorene Sohn eines Granden von Spanien. Wer aber ist er wirklich?«
»Castilla und er gehören womöglich selbst zur Schwarzen Kralle. Denn wenn sie einen Verrat begangen haben, hätten sie allen Grund, Spanien zu verlassen und in Frankreich unterzutauchen, wo die Schwarze Kralle wenig Einfluss besitzt.«
»Wenn die Schwarze Kralle hinter mir her wäre«, bemerkte Almadès finster, »würde ich mindestens bis nach Westindien flüchten. Und selbst da würde ich noch um mein Leben fürchten.«
»Castilla und Irebàn denken vielleicht nicht so weit wie du, Anibal …«
»Sicher.«
»Bleibt die Frage«, gab Leprat zu bedenken, »was die Schwarze Kralle Castilla entlocken wollte und ob sie damit erfolgreich war.«
»Wenn er nicht geredet hätte, hätten wir nur noch seine Leiche gefunden«, stellte La Fargue klar. »So übel, wie er zugerichtet war, muss er sogar ziemlich lange dichtgehalten haben, bevor er schließlich mürbe wurde. Wir können also davon ausgehen, dass er über wichtige geheime Informationen verfügte.«
»Vielleicht wollte er Irebàn schützen.«
»Oder Cécile«, warf Ballardieu ein, der bis dahin geschwie gen hatte.
Seine Bemerkung führte zu betretenem Schweigen unter den Klingen, denn ihnen war nicht entgangen, in welche Bedrängnis das Auftauchen der jungen Frau La Fargue gebracht hatte. Jeden anderen hätten die Klingen unter diesen Umständen bereits in die Zange genommen, aber es schien so, als wolle der Hauptmann sie aus unerfindlichen Gründen davor bewahren.
La Fargue verstand den schweigenden Vorwurf seiner Männer. »Gut«, erklärte er und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Wo befindet sie sich jetzt?«
»Soweit ich weiß«, sagte Marciac, »ist sie auf ihrem Zimmer.«
»Bring sie her.«
Gerade als der Gascogner den Saal durch eine der Türen verließ, klopfte Guibot an eine andere. Almadès öffnete ihm.
»Monsieur de Saint-Lucq wartet im Hof«, verkündete der alte Mann.
11
Die Kutsche stand schon vor dem Palais Malicorne bereit, als Gagnière in vollem Galopp in den Hof ritt.
»Madame!«, rief er die Vicomtesse, der gerade ein Lakai den Wagenschlag aufhielt, damit sie, gehüllt in einen Reisemantel mit Kapuze, in die Kutsche steigen konnte. »Madame!«
Erstaunt hielt die junge Frau inne. Unter dem Arm trug sie die kostbare Schatulle mit der Seelenkugel. Sie reichte sie einem Mann im Wageninneren, von dem Gagnière nur die Handschuhe zu sehen bekam, und ermahnte ihn: »Macht sie nicht auf.« Dann wendete sie sich Gagnière zu: »Was für ein Benehmen, Marquis …«
Der Edelmann stieg ab, und da er nicht wusste, wer sich in der Kutsche befand, flüsterte er: »Verzeiht, Madame. Aber die Umstände machen es absolut erforderlich, die Umgangsformen außer Acht zu lassen.«
»Ich höre, Marquis.«
»Wir haben Pontevedras Tochter.« Gagnières Augen glitzerten vor Aufregung.
Die Vicomtesse dagegen blieb skeptisch. »Wirklich?«
»Man hat sie in ihrem Haus erwischt, wo sich auch Savelda aufhielt. Die Seelen der Drachenahnen scheinen über uns zu wachen, Madame!«
»Es sieht so aus, ja … Wo ist sie jetzt?«
»Bei Savelda.«
Die Vicomtesse zuckte zusammen.
Der Graf von Pontevedra war außerordentlicher Botschafter des Königs von Spanien. In Anbetracht der Tatsache, dass er gerade mit Frankreich über eine Annäherung der beiden Länder verhandelte, die die Schwarze
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