Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Unterstützung bitten?«, erkundigte sich der alte Soldat. »Den Kardinal? Castilla?«
»Ich bezweifle, dass Castillas Zustand überhaupt zulässt, mit ihm zu sprechen«, gab Almadès zu bedenken. »Und was den Kardinal betrifft …«
Bleiernes Schweigen breitete sich aus, und ein Gefühl der Ohnmacht lag in der Luft.
»Malefiz«, sagte Leprat nach einer Weile.
Die anderen starrten ihn überrascht an, und Almadès musste Saint-Lucq erst einmal erklären, wer dieser Malefiz überhaupt war. Als dies geschehen war, fügte Leprat hinzu: »Malefiz gehört der Schwarzen Kralle an, sonst wäre er nicht vor Castillas Gasthof aufgetaucht. Sicher weiß er viel, sonst hätte der Kardinal sich ihn nicht geschnappt.«
»Aber wenn ich das recht verstanden habe, kann dieser Mann doch gar nicht wissen, wo sich Agnès heute befindet, wenn er doch bereits gestern verhaftet wurde …«
»Aber er weiß sicher gut genug über alles Bescheid, um uns auf die richtige Fährte zu bringen.«
»Ja!«, rief Ballardieu enthusiastisch. »Ja! Das ist eine hervorragende Idee!« Er drehte sich zu La Fargue um und sah ihn auffordernd an.
»Die Idee ist sicher gut, ja … aber …«
»Aber wir wissen nicht, wo er sich befindet«, mischte sich Marciac ein. »Außerdem kommen wir nur an ihn heran, wenn wir den Kardinal darum bitten. Überhaupt wird er sicher nicht reden, wenn wir ihm nichts anzubieten haben.«
»Die Freiheit«, sagte Almadès. »Malefiz weiß, dass er verloren ist. Nur wenn wir ihm seine Freiheit versprechen können, wird er reden.«
»Also müssen wir Richelieu dazu bewegen, Malefiz die Freiheit zu schenken!«, rief Ballardieu. »Wenn wir ihm sagen, dass Agnès’ Leben auf dem Spiel steht …«
Er wollte an diese Möglichkeit glauben, aber die anderen hatten weniger Vertrauen in diesen Vorschlag. Was war dem Kardinal schon das Leben einer einzelnen Klinge wert? Er hatte schließlich schon einmal nicht gezögert, sie alle der Staatsraison zu opfern.
»Ich kann eine Unterredung mit Ihrer Eminenz herbeiführen«, bot Saint-Lucq an.
»Also gut, versuchen wir es«, beschloss La Fargue.
Als sich alle bereits zum Gehen gewendet hatten, nahm Marciac La Fargue zur Seite. »Wenn Ihr erlaubt, mache ich mich auf die Suche nach Cécile.«
»Weißt du etwa, wohin sie gegangen ist?«
Der Gascogner grinste. »Hauptmann, wenn Agnès jetzt hier wäre, würde sie sagen, dass Ihr sie schlecht kennt, die Frauen.«
»Na gut, dann verfolg deine Spur. Aber wir werden dich bald brauchen.«
»Ich werde bestimmt keine Zeit verlieren.«
13
Im Jahre 1607 ließ Concino Concini, ein italienischer Abenteurer, der solch großen Einfluss auf die Königin Maria von Medici hatte, dass sie ihn zum Marquis von Ancre und zum
Marschall von Frankreich ernannte, ein riesiges Palais in der Rue de Tournon errichten. Maßlos und unfähig, wie er war, hasste ihn das Volk, das sein Palais im Jahre 1616 zum ersten Mal plünderte, und schließlich noch einmal nach seinem Tode im Jahre 1617. Später residierte Ludwig XIII. von Zeit zu Zeit darin, und auch der spätere Heilige Franz von Sales logierte dort eine Weile. Dann schenkte der König es einem seiner Günstlinge und kaufte es ihm später wieder ab. Von da an bis ins Jahr 1748 diente das wunderschöne Palais in der Rue de Tournon als Residenz für Sondergesandte.
Zu dieser Zeit waren ständige Botschafter noch nicht üblich. Mit einigen seltenen Ausnahmen gab es in Europa damals nur Sondergesandte, die einzelne Verhandlungen aus bestimmten Anlässen führten oder ihren jeweiligen Monarchen bei besonderen Ereignissen, etwa der Taufe eines Thronfolgers, Verlobungen, Hochzeiten oder anderen Festlichkeiten, vertraten. Diese Gesandten kehrten danach aber immer in ihre Heimatländer zurück. Der Beruf des Diplomaten, wie wir ihn heute kennen, existierte damals noch nicht.
In Paris waren die Botschafter und ihr Gefolge also Gäste des Königs und logierten im früheren Palais des Marschalls von Ancre. Im Auftrag des Königs Philipp IV. von Spanien residierte der Graf von Pontevedra dort nun schon seit einigen Tagen, und er würde so lange verweilen, bis seine streng geheime Mission erfolgreich abgeschlossen war. Was bespra chen der Graf und Richelieu wohl während ihrer täglichen, langwierigen Treffen, bei denen oftmals sogar der König persönlich zugegen war?
Am Hof kursierten bereits allerlei Gerüchte, und jeder behauptete, etwas anderes zu wissen oder gehört zu haben. Doch die Wahrheit übertraf die
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