Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
war, wollte die Frau schon aufgeben, doch Agnès hielt ihr noch einmal den Ring unter die Nase.
»Das Mädchen zahlt gut dafür.«
»Mit was denn?«
»Mit einem Ring. Aus purem Gold.«
Einen kurzen Moment später hörte Agnès, wie der Riegel, mit dem die Tür fest verschlossen war, zurückgeschoben wurde. Sie lächelte zufrieden.
»Zeig her«, sagte der Mann, nachdem er geöffnet hatte.
Einige Minuten später trat Agnès mit den Kleidern und Waffen der Wache in die tiefschwarze, nur hier und da von Feuern erhellte Nacht hinaus. Derjenige, der die Kluft vorher getragen hatte, lag nun tot im Keller, eine Stricknadel durchbohrte ihm Auge und Gehirn. Die Dicke lag nicht weit von ihm entfernt, ihr steckte die zweite Stricknadel im Nacken.
Agnès sah sich vorsichtig um, zog den Hut noch tiefer ins Gesicht und senkte den Kopf. Dann entfernte sie sich unauffällig, in der Hoffnung, dass sie niemand aufhalten würde. Da sah sie einen Herrn, der vom Pferd aus mit Savelda sprach und schließlich in Richtung Burgfried davonritt.
Auch sie schlug daraufhin diese Richtung ein.
20
Laincourt erreichte die vom Schein der Fackeln und Laternen erhellte Festung bei Einbruch der Nacht. Beiläufig ließ er den Blick über den Schauplatz der Initiationszeremonie und
die künftigen Eingeweihten schweifen, die wie er maskiert waren. Als er Savelda entdeckte, ritt er direkt auf ihn zu.
»Ihr kommt spät«, sagte der Spanier, als er ihn erkannte.
»Ich werde bereits erwartet.«
»Ja, ich weiß. Dort drüben.«
Savelda wies auf den mächtigen Burgfried, und Laincourt bedankte sich mit einem Kopfnicken, bevor er seinen Weg fortsetzte, ohne zu bemerken, dass er verfolgt wurde.
Er war tatsächlich spät dran, denn nachdem er dem spanischen Sondergesandten die Bedingungen der Schwarzen Kralle diktiert hatte, hatte er vergeblich auf seinen Kontaktmann gewartet. Der Leierspieler hatte sich in der armseligen Taverne im Herzen von Paris, die gewöhnlich ihr Treffpunkt war, einfach nicht blicken lassen.
Schließlich war Laincourt unverrichteter Dinge aufgebrochen. Nun wusste niemand im Kardinalspalais, wo er sich befand und was er vorhatte.
Der Burgfried bestand aus drei massiven Türmen und einem dreieckigen Hof, umgeben von einer Befestigungsmauer. Er war eine Art Festung innerhalb der Schlossburg, die man nur über eine Ziehbrücke betreten konnte. Darin herrschte eine bedrückende Stimmung.
Laincourt ließ sein Pferd neben einer angeschirrten Kutsche im Hof stehen und betrat den einzigen der Türme, aus dessen Eingang und Schießscharten Licht drang. Dort erwartete ihn der Marquis de Gagnière.
»Heute Abend ist es endlich so weit«, sagte er zur Begrü ßung. »Da ist jemand, der Euch kennenlernen will.«
Laincourt wusste noch nicht, ob man auch ihn in den Kreis der Eingeweihten aufnehmen würde, wie es sein Wunsch war.
Er nickte und folgte Gagnière eine Wendeltreppe hinauf.
Flackernde Fackeln ließen flüchtige Schatten an den nackten Wänden tanzen.
Sie stiegen drei Etagen nach oben, bis sie einen kleinen, fensterlosen Raum erreichten, der nur von zwei hohen Kandelabern erleuchtet wurde.
Der Marquis klopfte an eine Tür und trat vor Laincourt ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
Das Zimmer befand sich am höchsten Punkt des Turms und verfügte über zwei weitere Türen und drei Spitzbogenfenster, die allesamt auf den Innenhof hinausgingen. Der Vorhang vor dem Alkoven war zugezogen. Auf einem gepolsterten Stuhl vor den ausladenden Leuchtern saß eine junge blonde Frau, die eine Maske und ein grau-rotes Kleid trug. Auf der Lehne saß ein herrlicher schwarzer Dragun mit goldenen Augen. Rechts von ihr stand, festlich gekleidet, Hauptmann Saint-Georges, und Gagnière postierte sich sogleich zu ihrer Linken. Laincourt blieb instinktiv in der Nähe der Tür stehen, die von zwei Wachen flankiert wurde.
Er nahm seine Maske ab und hoffte, die Frau möge es ihm gleichtun, doch sie folgte seinem Beispiel nicht.
»Wir treffen uns heute zum ersten Mal, Monsieur de Laincourt«, verkündete die Vicomtesse de Malicorne.
»Vermutlich, Madame«, erwiderte er. »Ich kann nur sagen, dass mir der Klang Eurer Stimme nicht vertraut ist.«
»Ich habe jedoch«, fuhr sie fort, ohne seinen Einwurf zu beachten, »nur Gutes über Euch gehört. Zumindest, wenn man Monsieur de Saint-Georges Glauben schenkt … und sogar von Monsieur de Gagnière, der sonst eher reserviert ist, höre ich, dass Ihr ein Mann seid … nun, sagen wir … wie es ihn nur
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