Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
selten gibt.«
Laincourt führte die linke Hand an die Brust und verneigte
sich leicht. Doch er ahnte nichts Gutes. Gefahr lag in der Luft.
»Gleichwohl«, sagte die Vicomtesse, »könnte Euer Ehrgeiz manch einem auch überzogen vorkommen. Denn Ihr fordert nichts weniger, als in den Kreis der Eingeweihten aufgenommen zu werden, nicht wahr?«
»Ich bin in einer schwierigen Lage, Madame. Ich denke, ich habe immer absolute Loyalität bewiesen, doch nun befinde ich mich in der heiklen Situation, auf die Hilfe der Schwarzen Kralle gegen den Kardinal angewiesen zu sein.« Laincourt wusste, dass er damit alles auf eine Karte setzte.
»Gewissermaßen, Monsieur, fordert Ihr also eine Belohnung …«
»Ja.«
»Nun gut.«
Die Vicomtesse gab Saint-Georges ein Zeichen. Der zog den Vorhang des Alkovens zur Seite. Dahinter lag der Leierspieler, halbnackt und blutend: Er war übel zugerichtet, vielleicht schon tot. Man hatte den zerlumpten Alten mit den Armen über dem Kopf an die Wand gekettet. Leblos und schlaff war ihm der Kopf auf die Brust gesunken.
Laincourt, von diesem Anblick völlig entsetzt, begriff innerhalb des Bruchteils einer Sekunde, dass er enttarnt war, dass der Leierspieler unter Folter geredet hatte und dass die Schwarze Kralle nun nicht mehr an die Intrige glaubte, die Richelieu angeblich gegen sie spann. Laincourt war das Instrument dieser Intrige gewesen, und nun drohte er ihr Opfer zu werden.
Mit einer plötzlichen und heftigen Bewegung rammte er einer der Wachen an der Tür den Ellbogen in den Kehlkopf, drehte sich blitzschnell um und stieß der zweiten sein Knie
zwischen die Beine, packte sie dann am Kopf und brach ihr das Genick. Saint-Georges zog sogleich blank. Doch Laincourt konnte dem Degen ausweichen, bückte sich unter seinem Arm weg, richtete sich blitzschnell wieder auf und hielt ihm einen Dolch an den Hals.
Die Vicomtesse war aufgesprungen, und Gagnière stellte sich mit vorgehaltener Pistole schützend vor sie. Aufgeregt schlug der kleine Dragun, der sich immer noch an der Stuhllehne festkrallte, mit den Flügeln und spie fauchend Feuer.
»Eine falsche Bewegung, und ich schneide ihm die Kehle durch!«, drohte Laincourt.
Die junge Frau starrte ihn an.
Dann gab sie Gagnière ein Zeichen, der daraufhin zwar einen Schritt zurücktrat, aber weiterhin die Pistole auf Laincourt und seinen menschlichen Schild gerichtet hielt.
Saint-Georges schwitzte und zitterte vor Angst. Er wagte kaum zu schlucken. Am Boden lag die Wache mit der zerquetschten Kehle und röchelte entsetzlich. Als hätte man sich darauf geeinigt, verharrten alle so lange, bis er starb und wieder Ruhe einkehrte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern.
Es begann in Madrid, als Arnaud de Laincourt bereits im Dienst des Kardinals stand und die Stelle des Privatsekretärs eines französischen Adligen im Exil antrat, über den Frankreich offiziell mit der spanischen Krone kommunizierte. Während dieses zweijährigen Einsatzes war ein Agent der Schwarzen Kralle an ihn herangetreten. Da Laincourt sogleich ahnte, mit wem er es zu tun hatte, ließ er Richelieu eine geheime Nachricht zukommen. Der befahl ihm daraufhin, das Spiel mitzuspielen, ohne jedoch ein zu großes Risiko
einzugehen: Der Gegner sollte sich in Sicherheit wiegen und seine Karten weiter ausspielen. Also zeigte sich Laincourt guten Willens gegenüber der Schwarzen Kralle, die wiederum nicht allzu viel von ihm verlangte, um ihn als möglichen und vielversprechenden Kandidaten nicht zu verschrecken. Bis zu seiner Rückkehr nach Paris passierte kaum etwas.
Nachdem er Mitglied der Garde Seiner Eminenz geworden war, wurde er bald zum Leutnant ernannt. Er wusste nie, ob diese plötzliche Beförderung als Belohnung für seine Loyalität diente, oder ob sie nur das Interesse der Schwarzen Kralle an ihm schüren sollte. Wie dem auch sei, nach einer Weile nahm die Geheimorganisation über den Marquis de Gagnière als Mittelsmann Kontakt zu ihm auf. Der Adlige enthüllte ihm das vermeintliche Geheimnis und berichtete, für wen die Informationen waren, die er während seiner Zeit in Spanien geliefert hatte. Er gab ihm auch zu verstehen, dass er bereits zu weit in die ganze Sache verwickelt sei, um sich nun daraus zurückziehen zu können. Er müsse der Schwarzen Kralle also weiter dienen – aber er werde seinen Einsatz auch nicht bereuen.
Mit Richelieus Einverständnis tat Laincourt so, als würde er auf die Forderungen eingehen und versorgte seine vermeintlichen Herren von da
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