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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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die auch noch Mund und Kinn verdeckten. Die Anspannung war ihnen dennoch anzumerken, und während sie ungeduldig auf den Beginn der Zeremonie warteten, sprachen sie kaum ein Wort.
    Agnès wusste, warum.
    Sie hatte zwar noch nie an einem Ritual wie diesem teilgenommen, aber dank ihres Noviziats bei den Dames Blanches , den ›weißen Ordensfrauen‹ des Heiligen Georgs, die das Königreich vor den schädlichen Einflüssen der Nachfahren der Drachenahnen schützten, wusste sie genau darüber Bescheid. Die Schwarze Kralle, deren unheimliches Emblem die Banner und den Altar zierte, war keine gewöhnliche Geheimgesellschaft. Sie wurde von uralten Drachen mit magischen Kräften geführt. Ihre Macht beruhte auf einem uralten Ritual, das die uneingeschränkte Loyalität aller Eingeweihten garantierte und sie spirituell mit den höheren Wesen verband, den Drachenahnen, die von da an ihr ganzes Sein bestimmten. Tatsächlich war eine Loge der Schwarzen Kralle weit mehr als eine Ansammlung macht- und geldgieriger Verschwörer. Sie war vielmehr das Ergebnis eines Kultes, der es einer Gruppe begeisterter Anhänger ermöglichte, sich als die Auserwählten der Drachenahnen zu verstehen. Die mächtigen Ahnen lebten in ihnen weiter, da sie ihnen einen Teil
von sich opferten. So konnten sie auch weiterhin ihre Macht geltend machen, in einer Welt, aus der sie einst verdrängt worden waren. Doch dieses Zeremoniell konnte nur von einem Drachen ausgeführt werden, der mit den Geheimnissen der draconischen Zauberei bestens vertraut war. Außerdem erforderte es eine äußerst seltene Reliquie, eine Kugel, aus der im gegebenen Moment die Seele eines Drachenahnen freigesetzt werden musste.
    Kurz zuvor hatte Agnès eine schwarze Karosse vorfahren sehen, aus der eine junge, elegante Frau in Begleitung eines älteren Edelmannes ausgestiegen war. Sie trug einen Schleier und ein Kleid in Rot und Grau. Der Mann brauchte ein wenig, bis er seine Maske zurechtgerückt hatte, und so konnte Agnès sein Gesicht erkennen. Was sie sah, erstaunte sie sehr: Es war Saint-Georges, der Hauptmann der Garde des Kardinals. Er und die junge Frau überzeugten sich gerade davon, dass die Vorbereitungen abgeschlossen waren, als sich Gagnière und Savelda zu ihnen gesellten. Die vier wechselten ein paar Worte und schauten dabei zu der Ruine herüber, in deren Keller Agnès festgehalten wurde. Die Gefangene duckte sich schnell unter die Kellerluke, von der aus sie das Grüppchen beobachtet hatte. Einen Moment lang dachte sie, sie würden zu ihr herüberkommen, doch die Karosse fuhr mit allen au ßer Savelda in Richtung Burgfried davon, wo sie über eine Ziehbrücke den Graben voll Gestrüpp überquerte. Da Agnès wusste, dass die Zeremonie erst nach Einbruch der Nacht stattfinden würde, beschloss sie, auf die Dämmerung zu warten. Sie wollte die Schatten der Nacht für sich nutzen.
    Dieser Moment war nun gekommen.
    In dem Keller, in dem es nun ziemlich dunkel geworden war, wendete sie sich an die dicke Frau, die sie bewachte, aber
bisher kein einziges Mal von ihrem Strickzeug aufgeblickt hatte. Die Dicke war das erste Hindernis, das Agnès überwinden musste. Als Nächstes erwarteten sie dann die verschlossene Tür und die Wache, die Savelda umsichtig davor postiert hatte.
    »Ich habe Durst«, sagte Agnès.
    Die Dicke zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Man wird hier doch wohl noch einen Krug Wein bekommen können?«, hakte sie mit unschuldiger Miene nach.
    Ihre Bewacherin zögerte eine Weile, doch der Gedanke an einen köstlichen Tropfen erschien offenbar auch ihr ziemlich verlockend.
    »Ich würde mir ein kühles Glas Wein auch etwas kosten lassen. Seht, das hier gebe ich Euch dafür, wenn Ihr wollt …« Agnès zog sich einen Ring vom Finger und hielt ihn der Frau hin.
    Die Augen der Dicken funkelten habgierig, doch sie zögerte noch immer.
    »Wir haben uns doch wirklich ein Schlückchen guten Wein verdient, oder? Schließlich sind wir zwei jetzt schon seit Stunden hier eingeschlossen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen leckte sich die dicke Bewacherin die trockenen Lippen. Dann legte sie endlich das Strickzeug weg, erhob sich, ging mit einem zustimmenden Murmeln zur Tür und pochte dagegen.
    »Was ist?«, rief die Wache von draußen.
    »Wir haben Durst«, maulte die Dicke.
    »Na und?«
    »Hol uns gefälligst eine Flasche Wein!«
    »Kommt gar nicht in Frage.«
    »Dann lass mich selbst gehen.«

    »Nein.«
    Obwohl sie wütend über die Reaktion des Wachpostens

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