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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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dass der Preis eines neuen Hemds für einen Edelmann wie ihn etwas anderes bedeutete als für eine Bäuerin, die gezwungen war, auf ihre Ausgaben zu achten. »Also gut«, sagte er, »aber schließt bitte die Tür.«
    Die Frau zögerte und sah sich kurz nach ihrer Pistole um, doch schließlich ging sie und schloss die Tür, die zum Hof führte. Dann half sie dem Musketier, und mit einem Blick auf seinen muskulösen Rücken begriff sie.
    Rissig und blaurot hatte sich dort ein großes Ranz-Mal ausgebreitet.
    »Ihr habt nichts zu befürchten, Madame. Meine Krankheit ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie Euch gefährlich werden könnte. Aber ich möchte dafür sorgen, dass Euerem Sohn dieser Anblick erspart bleibt.«
    »Habt Ihr Schmerzen?«
    »Kaum.«

23
    Marciac hatte getrunken und machte ein griesgrämiges Gesicht.
    Er saß am Tisch einer menschenleeren Taverne, in der der Wirt nach einem viel zu langen Tag mit krummem Rücken den Boden fegte, und starrte mit leerem Blick in sein Glas, als er bemerkte, dass jemand neben ihm stand.
    »Hauptmann.«

    »Guten Abend, Marciac.«
    »Setzt Euch, bitte.«
    »Danke.«
    La Fargue zog einen Stuhl heran und ließ sich nieder.
    Sogleich wurde ein zweites Glas an den Tisch gebracht, das gerade so sauber war, wie man es an einem solchen Ort erwarten konnte. Marciac griff danach und füllte es für den alten Hauptmann. Es war der letzte Rest aus seinem Krug, kaum noch ein Schluck.
    »Tut mir leid, Hauptmann. Das ist alles, was übrig ist.«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    La Fargue rührte das Glas gar nicht erst an, und während Stille eintrat, bemerkte er den zerknitterten Brief, den der Gascogner in der Rue de la Grenouillère erhalten hatte.
    »Die Klingen nehmen ihren Dienst wieder auf, Marciac.«
    Marciac nickte traurig und versonnen.
    »Ich brauche dich, Marciac.«
    »Hm.«
    »Die Klingen brauchen dich.«
    »Wer ist dabei?«
    »Dieselben wie früher. Die Briefe an sie wurden bereits verschickt. Sie werden bald eintreffen.«
    »Dieselben – das heißt wohl diejenigen, die noch am Leben sind.«
    »Ja.«
    Wieder machte sich Stille breit, diesmal lastete sie schwer auf ihnen.
    Schließlich sagte Marciac: »Ich führe mittlerweile ein anderes Leben, Hauptmann.«
    »Ein Leben, das dir gefällt?«
    Sie blickten einander eindringlich an.

    »Eines, das mir recht gut gefällt.«
    »Und das dich wohin führt?«
    »Alle Lebenswege führen auf den Friedhof, Hauptmann. Es geht nur darum, sich die Zeit bis dahin so angenehm wie möglich zu machen.«
    »Oder sich so nützlich wie möglich zu machen.«
    »Nützlich? Für wen sollte ich mich nützlich machen?«
    »Wir dienen Frankreich.«
    »Ja, in der Gosse.«
    »Wir dienen dem König.«
    »Und dem Kardinal.«
    »Das läuft auf das Gleiche hinaus.«
    »Nicht immer.«
    Mit diesem Satz war der Wortwechsel, der barsch verlaufen war wie ein rascher Schlagabtausch mit tödlichen Waffen, beendet. Marciac leerte sein Glas in einem Zuge und fragte: »Wird es sich wenigstens für uns auszahlen?«
    »Weder Ruhm noch Ehre, wenn du das meinst. Was das betrifft, hat sich nichts verändert.«
    »Reden wir lieber mal über Geld. Wenn ich einwillige, will ich für meinen Einsatz reich entlohnt werden. Mehr als reich. Pünktlich und zuverlässig. Bei der ersten Verzögerung lege ich sofort den Degen nieder.«
    La Fargue kniff zwar erstaunt die Augen zusammen, sagte dann aber: »Verstanden.«
    Marciac dachte noch einen kurzen Moment nach und starrte dabei auf seinen stählernen Siegelring.
    »Wann soll es losgehen?«

24
    Sogenannte ›Viertel der Wunder‹ gab es damals in Paris ein gutes Dutzend. Sie waren nach mittelalterlichem Vorbild organisiert. In diesen Stadtvierteln sammelten sich Bettler, Ganoven und andere Außenseiter der Gesellschaft. Ihren wohlklingenden Namen verdankten sie den professionellen Bettlern – falsche Kranken und Krüppeln -, die dort, fernab der Blicke der Gesellschaft, nach einem langen Arbeitstag auf ›wundersame‹ Weise genasen.
    Eines davon befand sich im Quartier Saint-Denis an der Cour Sainte-Cathérine ; ein anderes in der Rue du Bac ; ein drittes in der Nähe des Marché Saint-Honoré . Aber das berühmteste von allen war das an der Rue Neuve-Saint-Sauveur nahe der Porte Montmartre .
    Laut eines Chronisten lag es versteckt in dem schlecht gebauten und dreckigen Viertel hinter dem Kloster Filles-Dieu . Es bestand aus einem weitläufigen Hof, der noch aus dem 13. Jahrhundert stammte. Dort sammelte sich der

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