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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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Tonin!«
    »Guten Tag, Tonin«, sagte Leprat lächelnd.
    »Seid Ihr ein Edelmann?«, fragte das Kind.
    »Das bin ich.«
    »Und Soldat?«
    »Ja.«
    »Mein Vater war auch Soldat. Beim Picardie-Regiment.«
    »Eine alte und ehrenwerte Truppe.«
    »Und Ihr, Monsieur? In welchem Regiment seid Ihr?«
    Leprat ahnte bereits, welche Wirkung seine Antwort haben würde, und sagte: »Ich diene in der Kompanie der berittenen Musketiere Seiner Majestät.«
    »Ihr gehört zu den Musketieren des Königs?«, staunte Tonin bewundernd. »Wirklich? Hast du das gehört, Mama? Ein Musketier!«
    »Ja, Tonin. Du schreist ja auch laut genug, dass ich es hören kann …«
    »Kennt Ihr den König persönlich, Monsieur? Habt Ihr schon einmal mit ihm gesprochen?«
    »Schon einige Male.«
    »Geh schon und tränke das Pferd des Herrn Musketier«, unterbrach sie Geneviève und stellte eine Schale voll Wasser auf den Tisch.
    »Aber Mama …«
    »Keine Widerrede, Antoine.«
    Der kleine Kerl wusste, dass es nie ein gutes Zeichen war, wenn die Mutter von Tonin zu Antoine überging.

    »Ja, Mama … Erzählt Ihr mir dann noch mehr über den König, Monsieur?«
    »Wir werden sehen.«
    Mit dieser erfreulichen Aussicht verließ Tonin aufgeregt das Haus.
    »Ein netter Junge, den Ihr da habt«, bemerkte Leprat.
    »Ja. Er ist in dem Alter, in dem man nur von Ehre und Abenteuer träumt.«
    »Ein Alter, aus dem viele Männer niemals herauskommen.«
    »Genauso ist sein Vater gestorben.«
    »Das zu hören, tut mir aufrichtig leid, Madame. Ist er in der Schlacht gefallen?«
    »Soldaten sterben öfter durch Hunger, Kälte oder Krankheit als durch das Schwert … Nein, Monsieur, mein Mann ist während einer Belagerung der Ranz zum Opfer gefallen.«
    »Die Ranz«, murmelte Leprat, als würde er sich an einen gefürchteten alten Feind erinnern …
    Dabei handelte es sich um eine hochansteckende Krankheit, die durch die Drachen und ihre Zauberei in die Welt gekommen war. Die Drachen – oder vielmehr ihre Nachfahren in menschlicher Gestalt – litten nicht darunter, aber die Frauen und Männer, die längeren Umgang mit ihnen pflegten, blieben selten verschont. Das erste Anzeichen war ein kleines Mal auf der Haut, zunächst oft kaum größer als ein Leberfleck. In einer Epoche, in der man sich nicht wusch und nur selten die Kleidung wechselte, wurde ein solch unauffälliges Symptom oftmals übersehen. Das Mal vergrößerte sich jedoch schnell, wurde schrumpelig und nahm eine blaurote Färbung an. Mit der Zeit färbte es sich schwarz, wurde rissig und eiterte, während darunter tief sitzende Tumore wucherten.
Damit war das Stadium der ›bösartigen Ranz‹ erreicht. Der Kranke war von nun an hoch ansteckend und bekam die ersten heftigen Schmerzanfälle, die ersten Schwellungen, Verformungen und Missbildungen …
    Die Kirche sah darin einen schlagenden Beweis dafür, dass die Drachen die Inkarnation des Bösen waren und dass man sich am besten von ihnen fernhielt, wollte man sich nicht verlieren. Die Medizin des 17. Jahrhunderts stand der Ranz völlig machtlos gegenüber. Man konnte sie weder heilen noch ihrer vorbeugen. Natürlich waren schon allerlei Arzneien verkauft worden, und fast jedes Jahr tauchten neue in den Apotheken und an den Ständen der Marktschreier auf. Doch die meisten waren nur das Werk von Scharlatanen oder Ärzten mit mehr oder minder guten Absichten. Außerdem war die Wirkung auch ernstzunehmender Arzneien kaum objektiv messbar, da die Krankheit bei den betroffenen Personen ganz unterschiedlich verlaufen konnte. Manche starben innerhalb weniger Wochen, andere jedoch lebten, nachdem die ersten Symptome auftauchten, noch lange Zeit ohne größere Leiden. In den Straßen stieß man immer wieder auf die Unglücklichen, die im letzten Stadium der Krankheit zu bedauernswerten Monstern mutiert waren. Sie mussten die Passanten anbetteln, um zu überleben. Man zwang sie, eine rote Kutte zu tragen und sich schon von weitem durch das Klappern einer Rassel zu erkennen zu geben, oder man sperrte sie gleich in ein eigens in Paris gegründetes Hospiz für unheilbar Kranke.
    Geneviève verscheuchte die schlimmen Erinnerungen und half Leprat dabei, sein Wams auszuziehen. Dann nahm sie ihm die notdürftige Bandage ab, die er sich auf die Schnelle um den Bizeps gewickelt hatte.

    »Gebt mir erst einmal Euer Hemd, Monsieur.«
    »Zerreißt einfach den Ärmel, das wird genügen.«
    »Aber das Hemd ist doch noch gut. Man müsste nur den Riss nähen.«
    Leprat fiel ein,

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