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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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Spazierengehen zu schätzen. Entlang der Brüstung machten sich fliegende Händler und Schausteller breit, und in den halbmondförmigen Ausbuchtungen siedelten sich feste Markstände an, vor denen sich das Volk drängte.
    »Verflixt noch eins!«, rief Ballardieu und atmete tief ein. »Da fühlt man sich erst wieder richtig lebendig!«
    Agnès war etwas zurückhaltender und lächelte nur still.
    Zu Fuß hatten sie die Port de Nesle passiert und waren am Palais Nevers vorbei zur Pont-Neuf gelangt. Dies war der kürzeste Weg zum Louvre, und dort wollten sie hin.
    »Wie gut das tut!«, begeisterte sich der alte Soldat weiter. »Findest du nicht?«
    »Ja doch.«
    »Und es hat sich gar nichts verändert! Sieh nur, der Hanswurst dort drüben!«
    Er deutete auf einen großen, schlaksigen Kerl in einem zerrissenen Mantel, der auf einem armen Klepper saß, ebenso mager wie er selbst. Er pries die Vorzüge eines Puders an, der »das Gebiss erhält«. Dass er selbst kaum noch Zähne im Mund hatte, tat seiner Überzeugung keinen Abbruch, und auch sein Publikum schien sich daran nicht zu stören.
    »Und da drüben! Tabarin und Mondor! Komm, schauen wir ihnen ein bisschen zu.«
    Tabarin und Mondor waren berühmte Gaukler, die ihren festen Platz am Eingang der Place Dauphine hatten. Gerade gab der eine ein anzügliches Liedchen zum Besten, und der andere fuchtelte mit einem riesigen Klistier herum, parodierte die Quacksalber und bot jedem Passanten an, ihm »den Hintern schön rosa zu waschen«.
    Ihren Zuschauern schien es zu gefallen, denn sie brachen regelmäßig in schallendes Gelächter aus.

    »Später«, sagte Agnès. »Auf dem Rückweg.«
    »Du hast keinen Sinn für Humor, Kleine.«
    »Erinnerst du dich vielleicht daran, dass ich Baronin bin?«
    »Natürlich, eine Baronin, die ich schon kannte, als sie noch in die Windeln geschissen hat, die immer auf meine Schultern geklettert ist und der ich das erste Gläschen Schnaps ihres Lebens verabreicht habe.«
    »Ich war acht Jahre alt! Das war eine deiner absoluten Glanzleistungen … Ich erinnere mich noch gut, dass ich mir die ganze Nacht die Seele aus dem Leibe gespien habe.«
    »Das stärkt den Charakter. Ich war erst sechs, als mein Vater mir diese Behandlung angedeihen ließ, verehrte Baronin von Vaudreuil. Habt Ihr etwa etwas gegen die Erziehung einzuwenden, die mein Vater für richtig hielt?«
    »Schon gut, alter Hornochse. Jetzt geh schon zu … Auf dem Rückweg, habe ich gesagt.«
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    Der Verkehr aus Kutschen, Pferden, Wagen und Handkarren war so dicht, dass man kaum über die Straße kam, und auf den Bürgersteigen trampelte man sich gegenseitig auf den Füße herum. Scharlatane, Händler und Gaukler, Dragun-Dresseure und Zahnzieher lockten mit Parolen wie: »Kein Schmerz! Neu wie der März!«
    Auch allerlei andere Marktschreier veranstalteten ein riesiges Spektakel oder köderten die Menschen auf Italienisch, Spanisch und wenn es sein musste, sogar auf Latein oder Griechisch. Es gab auch zahllose Buchhändler, die für wenig Geld hauptsächlich gebrauchte, zerfledderte Bücher mit Eselsohren feilboten. Dennoch konnte man bei ihnen immer wieder kleine Schätze ergattern. Alle hatten sie ihre Podeste,
Buden, Zelte oder Stände aufgebaut. Die Platzmieten waren hoch und die Stellplätze heftig umkämpft. Diejenigen, die sich das nicht leisten konnten, platzierten zumindest Schilder mit ihrem Namen, der Adresse und den jeweiligen Angeboten, Diensten und Spezialitäten. Andere – Blumenverkäuferinnen, Hutmacher, Schnapshändler – zogen mit Bauchläden oder kleinen Handkarren von einem Ufer zum anderen und priesen lautstark ihre Waren an. Auf der Pont-Neuf wurde alles ver- und alles gekauft. Aber es wurde auch viel gestohlen, denn wo Müßiggänger waren, ließen auch Schurken nicht lange auf sich warten.
    Agnès ging gerade an einem bronzenen Pferd vorbei, das erst im Jahre 1633 mit der Statue von Henry IV. versehen werden würde, als sie bemerkte, dass ihr Begleiter nicht mehr da war. Sie ging in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war, und entdeckte Ballardieu in Gesellschaft einer Zigeunerin, die das Tamburin schlug und sich dazu lasziv bewegte, dass die Zechinen an ihrem Rock nur so klirrten. Agnès zog den alten Soldaten am Ärmel mit sich fort. Der folgte ihr nur widerwillig, verdrehte sich den Hals und stolperte fast über die eigenen Füße. Doch als er folgenden Aufruf hörte, spitzte er die Ohren: »Purer Zufall! Jeder dritte

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