Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
wiederholte Agnès leise und mit erstickter Stimme.
Die Klingen nahmen ihre Plätze wieder ein, hin und her gerissen zwischen der Freude, Bretteville gekannt zu haben, dem Stolz, mit ihm befreundet gewesen zu sein, und der Trauer darüber, ihn verloren zu haben.
»Wir haben eine Mission«, sagte La Fargue nach einer Weile.
Alle horchten auf.
»Unsere Aufgabe besteht darin, einen gewissen Chevalier d’Irebàn zu finden.«
»Was hat er sich denn zuschulden kommen lassen?«, erkundigte sich Agnès.
»Nichts. Er ist verschwunden, und man fürchtet um sein Leben.«
»Leute, die nichts gemacht haben, verschwinden doch nicht einfach so«, bemerkte Almadès trocken.
»Ein Spanier?«, wunderte sich Marciac.
»Ja«, antwortete La Fargue.
»Dann soll sich doch Spanien darum kümmern, ihn wiederzufinden!«
»Das ist es ja genau, was der Kardinal zu vermeiden sucht.« La Fargue erhob sich, ging um seinen Stuhl herum und stützte sich mit beiden Händen auf die hohe Rückenlehne. »Der Chevalier d’Irebàn«, fuhr er fort, »gehört dem spanischen Hochadel an. Allerdings ist er ein unwürdiger Spross seines Geschlechts, ein ausschweifender Jüngling, der sich unter diesem Decknamen nach Paris abgesetzt hat und hier sein Erbe verprasst.«
»Wie lautet denn sein echter Name?«, wollte Almadès wissen.
»Ich kenne ihn nicht. Es sieht so aus, als wolle Spanien dieses Geheimnis bewahren.«
»Wahrscheinlich aus Angst vor einem Skandal«, mutmaßte Ballardieu. »Wenn der Vater ein spanischer Grande ist, d…«
»Falls!«, unterbrach ihn Marciac abrupt. »Was Spanien behauptet, sollte man nicht unbedingt für bare Münze nehmen.«
Doch der Hauptmann brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen und fuhr fort: »Um den Vater ist es schlecht bestellt. Er liegt im Sterben, und so will man den nichtsnut zigen Sohn wieder in den Schoß der Familie aufnehmen. Irebàn scheint von heute auf morgen wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein, und man hegt die Befürchtung, er sei in Paris in schlechte Gesellschaft geraten.«
»Wenn er hier ein ausschweifendes Leben führt, ist das gut möglich. Und falls dieser schlechte Umgang Wind davon bekommen haben sollte, wer er wirklich ist …«
»Noch mehr ›falls‹«, machte Marciac seinen Zweifeln Luft.
»Durch einen Sondergesandten«, fuhr La Fargue ungerührt fort, »hat Spanien dem König seine Besorgnis kundgetan und ihm die Situation und seine Absichten erläutern lassen.«
»Und was sollen das bitte schön für ›Absichten‹ sein?«, rief Ballardieu aufgebracht.
»Kurz gesagt: Spanien drängt auf die Rückkehr von Irebàn und droht sogar damit, eigene Agenten ins Königreich zu entsenden, sollte Frankreich nicht alles Nötige in die Wege leiten. Und hier kommen wir ins Spiel.«
Bis dahin hatte sich Leprat auf die Zunge gebissen.
Nun konnte er nicht länger an sich halten, sprang auf
und marschierte wütenden Schrittes auf und ab. Er schwieg noch immer, aber sein Blick war finster, und die Augen blitzten.
Zuallererst gefiel es ihm ganz und gar nicht, dass Spanien versuchte, Frankreich zu diktieren, was es zu tun hatte. Aber vor allem hatte er doch wohl den Mantel der Musketiere nicht abgegeben, damit er jetzt einem fremden Land diente.
Noch dazu einem befeindeten Land.
La Fargue hatte von seinen Klingen keine andere Reaktion erwartet. »Ich weiß, wie du darüber denkst, Leprat.«
Der hielt inne. »Wirklich, Hauptmann?«
»Ich weiß es, weil ich die Sache genauso sehe. Aber ich weiß auch, dass Richelieu im Moment um eine Annäherung mit Spanien bemüht ist. Frankreich wird schon bald gegen Lothringen und vielleicht sogar gegen das Heilige Römische Reich Krieg führen müssen. Da kann es sich nicht erlauben, auch noch an der Pyrenäengrenze bedroht zu werden. Es muss sich mit Spanien gut stellen und ihm im Namen einer Aussöhnung Zugeständnisse machen.«
Leprat seufzte. »Gewiss. Aber warum wir? Warum wurden die Klingen wieder zusammengerufen? Soweit ich weiß, fehlt es dem Kardinal nicht an Spionen.«
Der Hauptmann antwortete nicht.
»Die Mission«, mutmaßte Agnès, »erfordert einiges an Feingefühl …«
»… und wir sind die Besten«, fügte Marciac hinzu.
Aber so gern sie das auch glauben mochten, mit dieser Erklärung gab sich keiner zufrieden. Es musste mehr dahinter stecken, und das beschäftigte jeden von ihnen.
Schweigen machte sich breit, doch dann sagte Marciac: »Wir kennen noch nicht einmal den wahren Namen dieses
Chevalier d’Irebàn, und
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