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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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bevor er starb. »Konnte der Todeszeitpunkt schon festgestellt werden?«, fragte sie.
    Schurrauer nickte. »Dr. Ahran konnte nur sagen, dass Zieliński zwischen zwei und drei Tage im Hafenbecken gelegen hat. Es ist leider kaum möglich, den genauen Todeszeitpunkt von Wasserleichen zu bestimmen. Die Verwesung im Wasser macht es dem Pathologen schwer.«
    »Das heißt, dass er nicht der Mörder von Kobald sein kann. Denn der ist einen Tag, bevor wir Zieliński gefunden haben, ermordet worden.« Liebhart schüttelte den Kopf. »Wissen wir schon, wie Zieliński ums Leben gekommen ist?« Er sah Schurrauer fragend an.
    »Er ist mit einem stumpfen, runden Gegenstand erschlagen worden. Dr. Ahran hat Holzsplitter in der Wunde am Hinterkopf gefunden. Sie werden gerade untersucht. Das Wasser hat sehr viele Spuren weggeschwemmt oder unbrauchbar gemacht. Interessant ist ein Abdruck auf seiner Stirn.« Schurrauer warf einen kurzen Blick zu Rosa und legte dann ein Foto aus der Pathologie auf den Tisch. In Nahaufnahme konnte man eine Art Muster auf Andrzej Zielińskis Stirn erkennen.
    »Was ist das?« Liebhart beugte sich tiefer über das Foto.
    »Sieht aus wie der Abdruck einer Perlenkette«, meinte Rosa.
    »Aber was ist das für ein breiter Strich, der unter der Perlenreihe verläuft?«, fragte Schurrauer.
    Ratlos schwiegen sie einige Sekunden.
    »Schauen wir einmal, was die Spurensicherung findet. Vielleicht können die den Abdruck einem Schmuckstück, das als gestohlen gemeldet wurde, zuordnen.« Liebhart richtete sich wieder auf.
    Rosa bat um eine Kopie des Fotos, dann fuhr Schurrauer fort. »Wir haben am Rucksack von Zieliński fremde   DNA   sicherstellen können, brauchen für die Bestimmung aber eine Vergleichsprobe. Der Rucksack ist durch viele Hände gegangen: durch die des Wanderers, der ihn gefunden hat, die des Polizisten, der ihn entgegengenommen hat. Wir konnten auch weibliche   DNA   finden, die vielleicht von der Zimmerwirtin stammen könnte. Wir sind dabei, das zu untersuchen.«
    »Das heißt   DNA   sammeln«, meinte Liebhart und wandte sich dann an Rosa. »Möglicherweise bringt uns das Brustkreuz ja mehr Informationen, du kannst es dir nach unserer Besprechung ansehen. Das Labor weiß Bescheid.«
    Plötzlich wurde die Tür mit solcher Wucht aufgestoßen, dass sie vom Türstopper zurückfederte und Frau Grand, die gerade das Zimmer mit einem Tablett voller Getränke betrat, beinahe getroffen hätte. Die Sekretärin knallte das Tablett auf den Tisch, sodass die Flüssigkeiten überschwappten, und verließ den Raum wieder, ohne die Tür zu schließen. Draußen versank sie langsam in ihrem Bürosessel.
    Rosa hatte nicht einmal aufgesehen. Sie nahm sich ihre Kaffeetasse vom Tablett und achtete darauf, sich nicht anzupatzen. »Habt ihr die Familie von Andrzej ausfindig gemacht?«
    »Ja, er kommt aus Zamość, einer Stadt im südöstlichen Teil Polens, rund zweihundertvierzig Kilometer von der Hauptstadt Warschau entfernt.« Schurrauer stand auf und ging zu der großen Landkarte, die an einer Wand des Büros hing. Nach ein paar Minuten fand er den Ort und zeigte mit dem Finger darauf. »In seiner Brieftasche haben wir ein Zugticket gefunden – er hat Polen am 1. Mai verlassen.«
    Liebhart hievte sich ächzend aus dem Sessel und begann, auf einer Tafel eine Zeitlinie aufzuzeichnen, die mit dem 1. Mai begann.
    Während Schurrauer weitersprach, fuhr er mit dem Finger den Weg auf der Karte nach. »Er hat die Grenze nach Ungarn überquert und ist am selben Tag in Österreich eingereist. Am 13. Mai nimmt er sich ein Zimmer in der Pension Schrattner in Klosterneuburg, wo er bis zu seinem Tod um den 31. Mai bleibt.«
    Liebhart trug die Daten und kurze Stichworte auf dem Zeitstrahl ein.
    »Am 2. Juni wird Friedrich Kobald in Wien erschlagen. Auf dem Mordwerkzeug befinden sich die Fingerabdrücke von Zieliński«, ergänzte Liebhart.
    Es entstand eine kurz Stille, während der alle drei auf die Tafel starrten. Rosa versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen zu erkennen.
    Schurrauer setzte sich wieder und strich über die Seiten seines Notizbuches. »Zieliński war zweiunddreißig Jahre alt und seit drei Jahren mit Agnieszka Zieliñska verheiratet. Wir haben sie schon verständigt; sie wird in den nächsten Tagen hier eintreffen und seine Leiche und seine persönlichen Gegenstände abholen.«
    Rosa kramte in ihrer Tasche, holte die Zeitungsausschnitte von Johanna heraus und breitete sie auf dem großen

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