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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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etwa fünf Minuten kam eine Schwester und bat sie, den Raum zu verlassen. Sie gingen hinaus, und endlich gelang es Rosa, Frau Schurrauer zu erreichen. Sie versprach, so schnell als möglich zu kommen.
    Während sie auf sie warteten, besorgte Rosa zwei Becher geschmacklosen Kaffees aus dem Automaten. Draußen versank die Sonne wie ein glutroter Ball hinter dem Horizont. Der Gang war durch ihr Licht in kräftiges Orange getaucht und wurde durch die großflächigen Fenster erbarmungslos aufgeheizt.
    Schurrauers Frau eilte auf Liebhart zu. Rosa stellte fest, dass sie typologisch das genaue Gegenteil von ihrem Mann war: rundlich und mit rosa Teint. Rotblonde Locken fielen ihr ins Gesicht, und eine Wolke aus einem leichten, sehr angenehmen Parfum hüllte sie ein. Sie fächelte sich Luft mit einer Zeitung zu, ihre Wangen waren gerötet, und auf der Oberlippe stand ein wenig Schweiß.
    Liebhart erzählte ihr stockend, was vorgefallen war. Sie legte sich vor Schreck die Hand vor den Mund. Rosa fragte, ob sie ihr irgendwie helfen könnten. Frau Schurrauer verneinte dankend und wollte nur so schnell wie möglich zu ihrem Mann.
    Rosa und Liebhart verabschiedeten sich von ihr und gingen zum Auto. Schweigend fuhren sie den Gürtel entlang. Rosa sah, wie Liebharts Hände sich um das Lenkrad krampften, sodass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie fragte sich, ob er den Bürgern vom Kahlenbergerdorf nach Schurrauers Unfall noch unvoreingenommen gegenübertreten konnte. Kurz bevor sie sich trennten, versprach Liebhart, sie anzurufen, sobald der Stein, den man in Schurrauers Mund gefunden hatte, auf Fingerabdrücke untersucht worden war. Dann könne sie ihn sich im Labor ansehen, um festzustellen, ob er tatsächlich zum Brustkreuz gehörte.
    Als Rosa Richtung Brunn fuhr, senkte sich die Dämmerung kühl über die Hügel. Schwalben flogen tief, und Gelsenschwärme standen über dem See.
    Als sie zu Hause ankam, war es bereits dunkel. Rosa erledigte fahrig und ohne viel Erfolg Hausarbeit und stellte um neun Uhr fest, dass sie heute genau zwei Alternativen hatte, um die Nacht durchzuschlafen: Entweder sie setzte sich mit einer Flasche Bourbon auf ihre Terrasse, oder sie zog sich ihre Joggingschuhe an und lief noch ein paar Kilometer über die beleuchtete Landstraße. Sie entschied sich für Letzteres, da sie am nächsten Tag nicht verkatert sein wollte. Die Katze hatte sich, irritiert durch Rosas Hin-und-her-Eilen, in eine Ecke des Wohnzimmers verkrochen und zu einer Fellkugel zusammengerollt. Sie blickte Rosa vorwurfsvoll an.
    Der heiße Tag war angenehmer Kühle gewichen, und die Zikaden sangen laut in den umliegenden Feldern. Die Gemeinde hatte noch immer nicht die Straße in der Kurve repariert, sondern einfach die zu umfahrende Stelle weitläufig abgesichert. Rosa lief eine Stunde und merkte, wie die Bilder vom blassen Schurrauer sich langsam auflösten. Fragen, die sie sich in den letzten Tagen unaufhörlich gestellt hatte, verblassten, und als sie wieder zu Hause ankam, fühlte sie sich entspannt und hatte Hunger.
    Erst jetzt bemerkte sie, wie lange sie nichts mehr gegessen hatte. Sie duschte lange und warf, als sie sich abtrocknete, einen missbilligenden Blick auf den leider noch immer losen Haltegriff über der Badewanne. Morgen Abend würde sie ihn ganz sicher reparieren. In ihrem dicken Bademantel und mit einem Turban auf dem Kopf ging sie in ihre Küche hinunter. Sie schlug ein paar Eier in eine Schüssel, rührte etwas Milch darunter, dann salzte und pfefferte sie die Mischung. Nachdem sie Olivenöl in einer beschichteten Pfanne erhitzt hatte, warf sie eine klein geschnittene Schalotte hinein und ließ sie glasig anlaufen.
    Johanna und sie waren ungeschlagene Meister im Pilzesammeln und hatten ein ausgeklügeltes Verfahren entwickelt, um ihre Schätze über das ganze Jahr aromatisch zu halten. Dem lag ein komplizierter Trocknungsprozess zugrunde, bei dem frisch geschnittene Fichtenzweige eine tragende Rolle spielten. Rosa und Johanna waren bei ihren Experimenten beinahe durch eine Rauchgasvergiftung draufgegangen.
    Als sie die Schwammerln in die Pfanne warf, verbreitete sich sofort ein angenehmer Duft nach feuchtem Waldboden in der Küche. Sie goss die Eiermilch darüber und ließ das Ganze ein paar Minuten zugedeckt stocken. In der Zwischenzeit bereitete sie sich einen Salat aus Gurken und frischen Kräutern zu. Dann trug sie alles wie gewohnt auf einem Holztablett auf die Terrasse.
    Nach dem Laufen hatte Rosa keine

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